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Archiv-Artikel

KOMMENTAR VON DANIEL BAX Kontinent der Angst

Europa braucht weitere Einwanderung. Sonst drohen Vergreisung und Abstieg

Ein Gespenst geht um in Europa, das Gespenst einer ungezügelten Einwanderung. Populisten und publizistische Schwarzmaler malen es an die Wand – und sie haben Erfolg damit. In ganz Westeuropa reüssieren rechte Parteien, die gegen – vorzugsweise muslimische – Immigranten zu Felde ziehen.

Dabei bleibt Europa auf Einwanderer angewiesen. Experten warnen seit Jahren vor dem Geburtenrückgang und der drohenden Vergreisung des Kontinents. Die demografischen Prognosen sind eindeutig: Der Anteil der arbeitenden Bevölkerung sinkt, immer weniger Kinder und Jugendliche stehen einer wachsenden Zahl von Senioren und Rentnern gegenüber. Ohne Bevölkerungswachstum, das für Investitionen und Konsum sorgt, wird auch die Wirtschaft in Europa nicht wachsen. Und wer dann in Zukunft die Renten und andere Sozialleistungen finanzieren soll, steht in den Sternen.

Verantwortungsvolle Politiker treten daher nicht nur für eine bessere Familienpolitik, die Beruf und Kinder vereinbar macht, und eine „neue Solidarität zwischen den Generationen“ ein, sondern auch für eine aktive Einwanderungspolitik. Die EU-Kommission hat dazu einige ambitionierte Vorschläge gemacht, zu denen vor allem die europäische „Blue Card“ zählt. Sie soll einmal das Gegenstück zur US-amerikanischen „Green Card“ bilden und bis Juni 2011 von den EU-Mitgliedstaaten europaweit in nationales Recht umgesetzt werden. Dafür ist es höchste Zeit. Denn während die USA an den Eliteunis dieser Welt schon seit Jahren aktiv um die klügsten Köpfe buhlt, fällt Europa in diesem Wettbewerb zurück. Doch es geht nicht nur um Hochqualifizierte: auch an ganz gewöhnlichen Einwanderern haben viele EU-Länder Bedarf.

Europas Politiker zögern jedoch, diese simple Wahrheit auszusprechen. Eine hohe Sockelarbeitslosigkeit und Ängste vor Jobverlust und Lohndumping, die weit verbreitet sind, halten sie davon ab, die rigiden EU-Einwanderungsregeln zu lockern. Dabei genießen Inländer bei der Vergabe von Arbeitsplätzen Vorrang. Und gegen Lohndumping könnte die Einführung eines Mindestlohns helfen.

Es sind vor allem Wirtschaftsbosse und Demografen, nicht naive „Gutmenschen“, die diese Abschottungspolitik kritisieren und gar für eine „Willkommenskultur“ plädieren, die Einwanderer anzieht. Denn sie wissen, dass Europa sich sonst um seine Zukunft bringt.