KOMMENTAR VON BERNHARD PÖTTER ÜBER DEN BERICHT DES WELTKLIMARATS : Der blinde Fleck der Energiewende
Es ist ein sehr passender Zufall: Genau in der Woche, in der in Berlin die Bundesregierung auf Druck der EU-Kommission über die Zukunft der Energiewende entscheidet, versammeln sich die weltbesten Experten für Klimawandel in der deutschen Hauptstadt. Sie formulieren ihren Abschlussbericht zum Thema Klimaschutz. Und den sollten sich alle hinter die Ohren schreiben, die in der ein oder anderen Funktion an der Energiewende herumschrauben.
Denn die deutsche und europäische Debatte über mehr oder weniger Ökostrom, Belastung der Verbraucher, Ausnahmeregeln für die Industrie und Wettbewerbsfähigkeit am Standort Deutschland hat einen riesigen blinden Fleck. Wir haben aus den Augen verloren, warum wir diese Energiewende überhaupt wollen und bezahlen. Nicht wegen Fukushima. Nicht wegen der grünen Jobs. Nicht weil sich die deutsche Industrie damit den nächsten Exportschlager sichert. Sondern weil uns der zusehends instabile Zustand der Atmosphäre und die Folgen für die Erde keine andere Wahl lassen, als unseren Hunger nach Kohlenstoff möglichst schnell auf Nulldiät zu setzen. Und weil wir mit den erneuerbaren Energien eine kostengünstige Alternative dazu haben, entweder im Dunkeln zu frieren oder im Klimawandel die Erde zu rösten.
Die Entwicklung von Energie aus Wind, Sonne und Wasser ist der Königsweg aus diesem Dilemma. Und auch wenn die Klimawissenschaftler Atomkraft und „saubere Kohle“ als theoretische Auswege anführen, ist ihnen klar, dass da der Teufel nur mit dem Beelzebub ausgetrieben würde. Ihr Bericht fordert übrigens ausdrücklich nicht: Energiewende um jeden Preis. Denn wenn die globale CO2-Diät gelingen soll, muss sie für China und Indien bezahlbar sein, nicht nur für den deutschen Steuerzahler und Stromverbraucher. Die Suche nach dem günstigsten Weg zur Wende ist also extrem wichtig. In den letzten Monaten ist sie aber von der Lobby der Industrie und ihren Helfern in den Parteien und Medien dazu missbraucht worden, mit kurzfristigen ökonomischen Scheinrechnungen langfristige ökonomische und ökologische Notwendigkeiten zu verschleiern. Das klingt kompliziert? Dann lesen Sie am nächsten Wochenende die 30 Seiten der „Zusammenfassung für Entscheider“ des Klimaberichts. Denn das müssen wir dann: entscheiden, was uns die Energiewende wert ist.