KOMMENTAR VON BERND PICKERT ÜBER OBAMAS NOMINIERUNG IN CHARLOTTE : Es ist nicht egal, wer die Wahl gewinnt
Barack Obama hat doch eh nichts erreicht. Eigentlich ist es egal, ob er noch einmal Präsident wird. So klingen viele Kommentare deutscher und europäischer Medien. Sie gehen der republikanischen Strategie auf den Leim. Vom ersten Tag an haben die Konservativen ihre Sperrminorität im Senat genutzt, um den Präsidenten nach Kräften zu blockieren. Jetzt, vier Jahre später, gehen sie mit dem Slogan einer „gescheiterten Präsidentschaft“ hausieren. Das muss man nicht mitmachen.
Wer sich die Wahlprogramme und Parteitage beider Parteien ansieht, muss schon ein gehöriges Maß an Ignoranz aufbringen, um nicht zu sehen, dass hier zwei unterschiedliche Visionen von der Zukunft der USA und der Rolle, die Staat und Regierung dabei spielen sollen, aufeinanderprallen.
Die wichtigsten RednerInnen am ersten Tag des Demokraten-Konvents haben diese Unterschiede klar benannt, allen voran Michelle Obama. Sie hat es geschafft, Herausforderer Mitt Romney nicht ein einziges Mal zu erwähnen und dennoch einen klaren Kontrast zu seinen Positionen zu zeichnen. Der Staat, so der Tenor aller Reden bei den Demokraten, muss garantieren, dass jedeR eine faire Chance erhält, seinen Traum zu verwirklichen. Das ist letztlich ein Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft, wie sie die USA nie hatten – im Unterschied zur Entschlossenheit der Republikaner, nicht nur die Gesundheitsreform, die Entscheidungsfreiheit für Frauen bei Abtreibungen und die Homoehe abzuschaffen, sondern jede soziale Verantwortung des Staates.
Bei den Parteitagen geht es darum, die letzte große Chance kostenloser Sendezeit vor den TV-Debatten optimal auszunutzen. Das Ziel ist, bei den WechselwählerInnen Punkte zu sammeln und die eigene Basis trotz ihrer Enttäuschungen wieder zur Stimmabgabe zu motivieren. Gelingt das, steht Obamas Wiederwahl nichts im Wege.
Allerdings: Auch die wäre kein Garant für die Umsetzung auch nur irgendeines der Versprechen. Die Republikaner dürften die Mehrheit im Repräsentantenhaus behalten und mindestens die Sperrminorität im Senat. In einer zweiten Amtszeit sollte Obama daher alle seine eigenen Machtbefugnisse wie den Erlass von Dekreten ausschöpfen, statt weiter vergeblich auf eine überparteiliche Zusammenarbeit im Kongress zu setzen. Ob seine Präsidentschaft am Ende nicht nur mit den Worten „der erste Schwarze …“ in die Geschichte eingehen wird, liegt vor allem an ihm selbst.