Libanon: Chiracs richtiger Rückzieher : KOMMENTAR VON ANDREAS ZUMACH
Heute vor einer Woche hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die schnelle Aufstockung der Blauhelmtruppe Unifil im Südlibanon von 2.000 auf 15.000 Soldaten beschlossen – aber bis jetzt ist dort kein einziger zusätzlicher Blauhelmsoldat angekommen. Dennoch hält die vorläufige Waffenruhe, abgesehen von einigen Scharmützeln, jetzt bereits seit fünf Tagen an. Länger, als die meisten Beobachter erhofft und erwartet hatten. Ist die Aufstockung der Unifil also überflüssig? Können die seit Donnerstag in den Südlibanon einrückenden 15.000 libanesischen Armeesoldaten vielleicht sogar allein für einen dauerhaften Waffenstillstand sorgen – und für die Umsetzung der übrigen Bestimmungen der Resolution 1701?
Keineswegs. Die Erkenntnisse, die französische Offiziere und Geheimdienstler vergangene Woche bei ihren Erkundungen in Beirut, Jerusalem, Damaskus, Teheran sowie bei der Hisbollah gemacht haben, deuten eher darauf hin, dass der derzeitige Waffenstillstand nur die Ruhe vor dem nächsten Sturm sein könnte. Deshalb bleibt eine schnelle Aufstockung der Unifil auf 15.000 Soldaten weiter unerlässlich.
Die schnelle Entsendung von nur knapp 4.000 Soldaten aus Bangladesch, Indien, Nepal, Malaysia und Indonesien, die der UNO auf der Truppenstellerkonferenz verbindlich angeboten wurden, wäre dagegen unverantwortlich. Sosehr die Bereitschaft dieser Länder zu würdigen ist. Daher ist Frankreichs unter dem Druck der eigenen Generäle erfolgter Rückzieher gegenüber der UNO – so peinlich er für Präsident Jacques Chirac zunächst aussieht – ein richtiger Schritt.
Unter dem Druck dieses Rückziehers besteht jetzt zumindest eine größere Chance als noch vor wenigen Tagen, dass die Unklarheiten und Widersprüche der Resolution 1701 hinsichtlich des Mandats und der Einsatzregeln der Unifil doch noch auf höchster politischer Ebene – sprich durch eine zweite Resolution des Sicherheitsrates – geklärt werden. Und nur dann wird es auch zu einer handlungsfähigen UNO-Truppe mit einer für ihre Akzeptanz in der nahöstlichen Krisenregion wichtigen Mischung aus Kontingenten westlicher und islamischer Staaten kommen.