KOMMENTAR VON AMBROS WAIBEL : Eine vergiftete Insel in Europa
Die Geschichte über die Ermittlungen des Staatsanwalts Domenico Fiordalisi, über den Widerstand der Aktivistin Mariella Cao und über die Sehnsucht nach Ehrlichkeit des Vaters Stefano Artitzu ist keine Randspalte aus einem abgelegenen Landstrich.
Auf Sardinien machen nicht nur viele Deutsche Urlaub, ist nicht nur die Bundeswehr seit Jahrzehnten stationiert; auf Sardinien, das ein Übermaß an militärischer Belastung durch Italien und die Nato zu verkraften hat, werden die wahren Kosten der fernab ausgetragenen Kriege deutlich. Das ist für diejenigen in Deutschland wichtig zu wissen, die – wie der Autor – etwa das militärische Engagement in Libyen für notwendig halten; wie auch für diejenigen, die die militärische Verschmutzung vor ihrer Haustür durch jahrzehntelange Proteste losgeworden sind: Verschwunden ist sie nicht.
Die Auswirkungen einer Recherche sind schwer kalkulierbar: Wird der Tourismus in der Region leiden? Wird jemals die ganze Wahrheit über all das, was auf dem Schießplatz Salto di Quirra verballert, verbrannt und vergraben wurde – und zwar bei Weitem nicht nur vom Militär, sondern auch von Privatfirmen –, herauskommen? Werden die Opfer entschädigt werden? Und wie soll das geschehen: Finanziell? Ideell? Ist der Überbringer der schlechten Nachricht schuld, wenn die Viehzüchter nun ihre Rinder, Schafe und Ziegen töten lassen, weil sie nicht wissen, wohin mit ihnen, und weil die Politiker auf Sardinien und in Rom nicht zu angemessenen Entscheidungen kommen?
Klar ist: Die Bundeswehr und der Rüstungskonzern EADS müssen sich mit Quirra auseinandersetzen – und zwar offensiv. Sie müssen die auf Sardinien stationierten Soldaten und deren Familien aufklären über den Fortgang der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in Lanusei; sie müssen jetzt zügig mit der Justiz kooperieren.
Und die Sarden? Sie brauchen nicht weniger als eine Revolution: weg von der Alimentierung durch das Militär, weg von „Bombardinien“. Die Aufklärung des Quirra-Skandals ist da nur ein erster Schritt auf einem langen Weg.