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KOMMENTAR NETZ-TEILRÜCKKAUFVertrag mit Fragezeichen

Kommentar von Marco Carini

Der Vertrag über die Netzbeteiligung ist nicht das Ende der Diskussion um Hamburgs energiepolitische Zukunft. Er ist ihr Neuanfang.

O laf Scholz hat geliefert. Der Vertrag über die Minderheitsbeteiligung Hamburgs an den Energienetzen ist ein umfangreiches Werk mit vielen Ausrufe- und einigen Fragezeichen geworden. Auf der Habenseite steht, dass der Teilrückkauf bezahlbar und refinanzierbar zu sein scheint. Die umstrittene Fernwärmetrasse durch Altona ist vom Tisch, neue Investitionen in eine moderne Energieerzeugung sind zugesagt - wobei die Behauptung, Hamburg schaffe mit diesem Vertrag die Energiewende, doch reichlich anmaßend klingt.

Vattenfall wie auch Scholz haben immer behauptet, das Kohlekraftwerk Moorburg sei klimapolitisch nur vertretbar, weil es zusätzlich zum Strom viel Fernwärme produziert. Die aber findet nun keinen Abnehmer. Auch das Hantieren mit garantierten Renditen ist Augenwischerei, weil letztlich der Markt und seine Verwerfungen über Renditen und Verluste entscheiden. Und es ist noch immer nicht belegt, wie viel energiepolitischen Einfluss die Stadt mit ihrem 25,1-prozentigen Anteil an den Netzen wirklich gewinnt.

Es war die SPD, die sich von den letzten 25 Prozent Beteiligung am Vattenfall-Vorgänger HEW trennte, weil damit politisch rein gar nichts zu bewegen war. Der Vertrag ist somit nicht das Ende der Diskussion um Hamburgs energiepolitische Zukunft. Er ist ihr Neuanfang.

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Hamburg-Redakteur
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1 Kommentar

 / 
  • S
    stop-greenwashing.org

    Es mag einige Fragezeichen geben bei diesem im Geheimen ausgehandelten deal, aber eines ist klar:

    Was Scholz hier abzieht, hat Mappussche Größe (zur Erinnerung: der ex-BaWü Chef Mappus hat mit seinem Alleingang beim Ankauf der EnBW Anteile am Parlament und vor allem am Volk vorbei den Menschen einen Schaden von geschätzt über 1 Milliarde Euro hinterlassen).

     

    Hamburgs "König" Scholz macht das gleiche, nur ein ganz klein wenig kleiner und mit Hilfe seiner treu ergebenden SPD in der Bürgerschaft:

     

    Fakt ist:

    Vattenfall hatte sich bis gestern 2fach ins Aus manövriert:

    1. Die Konzeption des KoKW Moorburg paßt nicht mehr ins heutige Energiebild. Die Zeiten, in denen man KoKW brauchte, um Kernkraftwerke abzulösen, sind schon lange vorbei. Heute lösen Windenergie (die u.a. Vattenfall ausbaut), Sonnenenergie, BHKW und in Zukunft gerade hier im Norden Erdgas und Windgas betriebene KW die großen fossilen Kraftwerke ab. Im Falle des KoKW Moorburg sogar schon, bevor dieses ans Netz geht, weil sich der Start noch um Jahre verzögern wird. Außerdem verteuern sich die CO2 Zertifikate mit jedem kommenden Jahr mehr. Vattenfall hat(te) aber auch nicht das Geld, das KoKW Moorburg weiterzubauen und zusätzlich für ca, 500 Mio Euro ein zeitgemäßes GuD-Kraftwerk für die Wärmeversorgung zu bauen. Deshalb versteifte sich Vattenfall auf die anfangs „nur“ mit ca. 175 Mio Euro veranschlagte Moorburgtrasse.

     

    2. Aber die Moorburgtrasse erwies sich als ähnliches Planungs- und Baudesaster wie das KoKW selbst. Das Planfeststellungsverfahren verteuert die Kosten bereits jetzt auf seitens Vattenfall geschätzte 250 Mio Euro. Aber die größte Gefahr drohte Vattenfall dadurch, daß die Trasse nicht genehmigt worden wäre. Dadurch wäre der Hamburger Fernwärmemarkt für neue Anbieter geöffnet worden, die finanziell besser ausgestattet als Vattenfall dann in die Lücke gesprungen und ein GuD Kraftwerk gebaut hätten (z.B. ein Konsortium von Stadtwerken mit Einschluß von HH Energie). Damit wäre Vattenfall doppelt raus gewesen: sowohl den Wärmemarkt in Hamburg verloren (spätestens nach der Abschaltung von Wedel) und auch noch einen neuen Konkurrenten auf dem Strommarkt mehr, der mit seinem GuD die Stromschwankungen der Wind- und Sonnenenergie ausgeglichen hätte. Das KoKW Moorburg wäre definitiv raus aus dem Markt gewesen.

     

    Aber jetzt kommt Scholz: er sorgt dafür, daß Vattenfall keinen neuen Anbieter in der Fernwärme fürchten muß, und zusätzlich sichert Scholz Vattenfalls Investition in das GuD ab. Das finanziert natürlich jede Bank gerne. Wo gibt es denn heute noch solch abgesicherte Märkte? Völlig risikolos kann Vattenfall jetzt das GuD auf die Kapazitäten und die Laufzeiten des KoKW Moorburg abstimmen. D.h. nicht der Markt und die umweltfreundlichste Energie regelt, welcher Strom und welche Wärme in die Leitungen geht, sondern Vattenfall. Genauso regelt nicht der Markt den Preis für die Fernwärmekunden, sondern Vattenfall! Vattenfall braucht Geld, weil das KoKW Moorburg Miese macht: kein Problem, wird der Wärmepreis hochgesetzt. Vattenfall Schweden braucht Geld, weil die dortigen AKWs uralt sind? Kein Problem, wird der Wärmepreis hochgesetzt. Eine unglaubliche Wettbewerbsverzerrung, die durch keinerlei öffentliches Interesse begründet ist.

     

    Welchen Vorteil Scholz durch dieses Gebaren hat, bleibt wohl sein persönliches Geheimnis. Die ganzen Vattenfall-Anzeigen in den SPD Parteizeitungen alleine können eine solche einseitige Begünstigung eines privaten Konzerns nicht begründen. Eines Konzerns, dem selbst die SPD in der Vergangenheit vorgeworfen hat, die AKWs Brunsbüttel und Krümmel nicht führen zu können. Und der auch gegen den Willen der SPD in der Opposition das KoKW Moorburg geplant hat. Und der aktuell plant, Deutschland wegen des auch von der SPD getragenen Atomausstiegs zu verklagen.

    Oder hat Scholz sogar Unterstützung von Merkel für den Deal, wenn als Ergebnis Vattenfall Deutschland nicht verklagt? Der HamburgerIn weiß es nicht, aber staunt, was VolksvertreterInnen so alles anstellen.

    Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!