KOLUMNE ÄLTER WERDEN: Kommunikation mit Wiederkäuern
Rückzug auf die Insel: Wenn die Feinkost mit dem Flieger angeschafft werden muss.
K ürzlich blieb ich beim Zappen im TV beim NDR hängen. Es wurde ein Film über die Äußeren Hebriden vor der Westküste Schottlands und speziell über die Insel Barra oder Barraigh (gälisch) gezeigt, in dem eine Börsenmaklerin 60 plus, die einst vom Parkett in London aus die Wertpapiermärkte in halb Europa aufmischte, eine tragende Rolle spielt. Die in der britischen Kapitale reich gewordene Lady managt ihre Börsengeschäfte inzwischen auf Barraigh - mit dem PC und in ihrem großen Haus, das einmal die Volksschule der Insel war. Dort lebt sie fast ganz auf sich alleine gestellt, aber nicht einsam. Denn sie pflegt eine innige Freundschaft mit dem Schaf Rupert und mit einer Kuh.
Mit dieser hübschen Kuh, die der Nachbar - auch ein Immigrant (von der Nachbarinsel) - zusammen mit seinen eigenen Tieren versorgt, geht die sich so very british gerierende Geschäftsfrau gerne spazieren; bei jedem Wind und Wetter. Und das Wetter, behaupten die mürrischen Inselbewohner, werde schließlich hier bei ihnen gemacht. Wenn dann am Abend Stürme das Haus auf dem grünen Hügel umtosen, im Kamin das Feuer fast niedergebrannt ist und ihr der letzte Malt von der für ihre Destillate berühmten Insel Skye Herz und Seele gewärmt hat, ruft die Lady ihren Rupert. Das Schaf kommt dann ans Fenster. Und sie sagen sich artig gute Nacht. Das selbst bestimmte Leben mit 60 plus kann also auch sehr schön sein, liebe Altersgenossinnen und -genossen der Generation 50 plus links. Das ist doch beruhigend.
Doch wer von uns kulturell interessierten Mitgliedern von My Generation will im Alter schon auf den Äußeren Hebriden leben, auch wenn die Feinstaubwerte dort gegen null tendieren? Am Arsch Europas, wo die Feinkost für die Freundin von Rupert und der Kuh mit dem Flugzeug herangeschafft werden muss, was nur bei Ebbe möglich ist, denn die Rollbahn ist der Strand. Ohnehin dürfte uns geschwätzige Kontinentaleuropäer die Kommunikation mit Wiederkäuern auf Dauer intellektuell etwas unterfordern.
Klaus-Peter Klingelschmitt ist Korrespondent der taz in Frankfurt am Main. Das Foto zeigt ihn nach bestandener Führerscheinprüfung im Juni 1970.
Wir bleiben also lieber hier, kaufen uns aber auch keinen Hund, um im Alter unserer Einsamkeit - oder einer am Ende vielleicht doch zu traut gewordenen Zweisamkeit - zu entkommen, auch wenn man die Töle ja Kevin nennen könnte, wenn man (sonst) keine Enkel hat. Mit einem Hund nämlich kann man so wenig kommunizieren wie mit einem Deichlamm oder einer Kuh der Rasse Glanvieh. Mit einem Hund muss man laufend Gassi gehen. Und die lebende Kackmaschine kriegt Würmer und Flöhe und schlägt mit ihrem monotonen Gebell (Wau! Wau!) auch noch den letzten intelligenten (Gesprächs-)Partner der Spezies Homo sapiens - der nicht der Gattung Hundehalter angehört - in die Flucht. Und das alles für die Illusion, eine Kreatur zu besitzen, die einen auch im höheren Alter noch respektiert (Sitz! Sitz.) und liebt. Ein Hund aber liebt nur das Herrchen (Frauchen), das ihm den ordentlich gefüllten Fressnapf hinstellt; alles andere ist frei erfundener sentimentaler Quatsch und steht im Goldenen Blatt.
Vor sozialer Vereinsamung retten uns später kein Hund und keine Katz, kein Schaf und keine Kuh. Machen wir uns deshalb weiter gute Freunde. Lieben wir unsere(n) Liebste(n) innig, damit sie (er) uns bis an unser Lebensende erhalten bleibt. Übrigens: Die Lady von Barra hat jetzt mit dem braven Milchbauern mit Migrationshintergrund was am laufen; Rupert motzt und wird wohl bald geschlachtet.
Rein: Animals (Pink Floyd): The dogs are dead. You better stay home. And do as youre told. Get out of the road if you want to grow old (Sheep).
Raus: Nix.
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