KOALITION DER WILLIGEN (2): TONY BLAIR KÖNNTE WIEDER MITMACHEN : Lügen, Intrigen und noch ein Krieg
Dem Mann ist alles zuzutrauen. Eine „militärische Aktion“ gegen den Iran auszuschließen würde eine „Botschaft der Schwäche“ aussenden, sagte Tony Blair vorgestern. Der britische Premierminister ist, wie in seinen Reden immer wieder anklingt, besessen davon, der Nachwelt ein Vermächtnis zu hinterlassen.
Offiziell denkt Blair dabei an den Gesundheitsdienst, den er retten will, und an das Oberhaus, das er reformieren will. Die Warteschlangen in den Krankenhäusern sind unter Labour nicht kürzer geworden, und das Oberhaus wird nicht dadurch reformiert, dass man die Erblords durch Geldsäcke ersetzt, die der Labour Party Zuwendungen machen. Beides taugt also nicht als Vermächtnis.
Nach dem derzeitigen Stand wird Blair als derjenige in die Geschichtsbücher eingehen, der Großbritannien durch Lügen und Intrigen in den Irakkrieg getrieben hat. Seit 1947 haben britische Politiker immer wieder die strategische Bedeutung des Öls im Nahen Osten beschworen. Aus diesem Grund stürzte man, gemeinsam mit den USA, vor 50 Jahren die iranische Regierung und brachte den Schah und sein Terrorregime an die Macht. Bei Blair kommt zur wirtschaftspolitischen noch eine missionarische Komponente hinzu. Wenn er den Angriff auf den Irak als „Krieg für die Zivilisation“ bezeichnet, glaubt er das womöglich selbst. Das macht ihn so gefährlich, zumal er sich nicht mehr um seine Wiederwahl scheren muss.
Die innerparteilichen Gegner der Irakinvasion argumentierten voriges Jahr im Wahlkampf, dass es töricht wäre, eine Antikriegsstimme gegen Labour abzugeben, weil ein solcher Krieg niemals wiederholt werden könnte. Sie verwiesen auf Außenminister Jack Straw, der stets betont, zuletzt vorgestern, dass es für Großbritannien illegal wäre, die USA bei einem Krieg gegen den Iran zu unterstützen. Das ist derselbe Straw, der die Gründe für den Irakkrieg als „dünn“ bezeichnet hat, wie aus einem geheimen Regierungsprotokoll vom Juli 2002 hervorgeht – der aber gleichzeitig Vorschläge machte, wie man die lästigen juristischen Hürden umgehen könnte. RALF SOTSCHECK