KLAUS-HELGE DONATH ÜBER PUTINS VORSCHLAG EINER FREIHANDELSZONE : Moskau sucht den Anschluss
Wladimir Putin ist in Europa-Laune. Selten hat der russische Ministerpräsident so deutlich für eine Annäherung zwischen seinem Land und der EU geworben. Die offiziellen Beziehungen sehen denn auch nüchterner aus. Das EU-Partnerschaftsabkommen, das die Grundlage engerer Vernetzung sein könnte, kommt nur schwerfällig voran. Dem Vorschlag des Premiers, eine gemeinsame Freihandelszone zu errichten, steht eine eher rigide Importzollpolitik entgegen. Moskaus Signale transportieren bislang andere Botschaften.
Das Werben hat indes Methode und verfolgt zwei Ziele. Außenpolitisch spekuliert Moskau mit einer europäischen Anbindung auf wachsende Dissonanzen zwischen EU und USA. Schwerer wiegt indes zurzeit der Modernisierungsdruck, dem Russland nicht gewachsen ist. Die Erkenntnis, dass Rohstoffwirtschaft ein Auslaufmodell ist, greift langsam auch in Moskau. Russlands Volkswirtschaft profitierte seit je von Modernisierungsleistungen des Westens, die im Land imitativ umgesetzt wurden.
Zum Paradigmenwechsel ist die staatliche Bürokratie als Agierende gleichwohl nicht in der Lage. Investitionen und westliches Know-how sind für Moskau überlebenswichtig. Für die EU ist der Nachbar ein lukrativer Markt. Synergien aus Produktion und Wissenschaft kann die EU jedoch nicht erwarten. Die Patentquote russischer Wissenschaft bewegt sich auf dem Niveau Costa Ricas. Die hochqualifizierten Kader sind aus diesem Grund längst im Westen. Modernisierung müsste bei Politik, Staat und Gesellschaft ansetzen.
Wladimir Putin hat jedoch etwas anderes im Sinn. Mit dem technologischen Facelifting hofft er die überfällige gesellschaftliche Erneuerung umgehen und die archaische Herrschaftsform, deren Inkarnation er ist, fortschreiben zu können.
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