K.I.Z. mit neuem Album: "Heteros sind die besseren Sportler"
Die Berliner Rapcrew K.I.Z. veröffentlicht mit "Urlaub fürs Gehirn" ein neues Album. In manchen Momenten wirken die verbalen Grenzüberschreiter dabei fast wie Genderaktivisten.
Je routinemäßiger man Grenzen überschreitet, desto mehr muss man aufpassen, dass die Leute es überhaupt merken. Die Berliner Rapper von K.I.Z. machen seit einigen Jahren aus verschiedenst Fäkalem oft erstaunlich unterhaltsamen Sprachunfug. Jetzt erscheint ihr neues Album "Urlaub fürs Gehirn". Vor den Aufnahmen, erzählt Maxim Drüner, einer der drei MCs, hätten sie sich Sorgen gemacht, dass die Grenzüberschreitung "allmählich langweilig" wird. "Wir haben gedacht, wir sind zu konsens, wir brauchen mal einen konsequent frauenfeindlichen Song. Da haben wir den geschrieben."
Das Stück heißt "Doitschland schafft sich ab" und handelt von seltsamen Wesen, die als internationales Busentum die Weltherrschaft anstreben. Alle Gefängnisse voller Männer: Das kann kein Zufall sein, oder? Verschwörung! "Seit Millionen von Jahren sind sie hier und wollen sich einfach nicht integrieren. Schießt, schießt sie zurück ins All." Ein bizarrer Beitrag zur Sarrazin-Debatte. Typisch K.I.Z., weil er schwachsinnige Frauenklischees und Hassparolen so übersteigert, dass es völlig lächerlich wirkt.
Trotzdem steckt darin eine derart unangenehme Aggression, dass der Song unmöglich als reine Satire funktioniert. "Also wundert euch nicht, warum die Föten euch treten, fangt lieber mal an, weniger Blödsinn zu reden." Hier die Guten, die Wahren, die Schönen - da drüben die misogynen Wichser. So einfach funktioniert der Track dann eben auch wieder nicht.
Jetzt unterstellt man ihnen "so Sachen", wegen dieses Songs. "Wir seien Feministinnen durchs Hintertürchen", sagt Sil-Yan Bori, der DJ. Er sitzt mit Maxim Drüner in der Küche ihres Studios, in Berlin-Kreuzberg. Drüner gähnt oft, ein langer, müder Typ, rasiertes Kopfhaar. Sind sie Feministinnen? "Doch, aber sags nicht weiter. Obwohl, die taz liest ja keiner. Die abonniert man nur, um seine Bild-Zeitung einzuwickeln." Drüner schaut noch müder und legt den Kopf auf den Tisch. Wo steht der Feminismus heute? "In der Bild-Zeitung", sagt er. "Dank Alice Schwarzer. Und da gehört er auch hin."
Seit K.I.Z. mit ihrem Album "Hahnenkampf" bekannt geworden sind, machen sie das so. Sie sind Gaga-Gangstarapper, rappen über Schwanzvergleiche, Fleischfressorgien und Splatterspritzer. "Ich bin wie JFK, spritz dich auf dem Rücksitz an", rappt Drüner. Gelegentlicher Pornokonsum und ein gewisses Maß an Geschichtskenntnis sind nötig, um dieses Bild zu dechiffrieren. Lustig? Man kann das auch ermüdend finden, auf dem jetzt dann doch schon vierten Album. Aber sie gestalten ihre comichafte Ekelkomik so liebevoll und detailversessen, dass es raphandwerklich ein gewisses Vergnügen ist.
Verunsicherung als Geschäftskonzept
"Lustig ist, wenn ich lache", sagt Drüner. Er lacht auch über Hitler, so was muss er dann doch mal sagen, Provokationslangeweile hin, Promounterhaltung her, "eine riesige Schweißwasserbombe". Die Kennedy-Zeile hat er sich ausgedacht, als er Phoenix geschaut hat, nach einer Weisheitszahn-OP, irgendeine Dokumentation. Ein angenehm entschleunigter Sender, findet er, nicht so hektisch.
Wenn sie zu Konzerten fahren und länger im Auto sitzen, hören sie Volker Pispers, den vollbärtigen Politkabarettisten. Sie mögen ihn, weil er ihnen vorkommt wie ein lustiger Geschichtslehrer. Gleichzeitig ist das so ziemlich genau das Gegenteil von dem, was sie machen. "K.I.Z. steht ja vor allem für Sicherheit." Drüner lacht auch jetzt nicht. Aber es ist eine ganz nette Ironie, weil Verunsicherung ja ihr Geschäftskonzept ist.
K.I.Z. sind auch musikalisch nicht einfach zu verorten, weil DJ Craft nicht nur Drum n Bass, Dancehall oder Klezmer mag. Wenn sie vom "Abteilungsleiter der Liebe" singen, klingen K.I.Z. studentenpartytauglich wie Fettes Brot. Zwischendurch sampelt Sil-Yan Bori auch mal US-Helden wie Dead Prez und deren Hymne "HipHop" dazwischen mit dem langgezogenen Refrain "Hip - Hop - Hip - Hop". K.I.Z.-Kommentar: "HipHop ist tot - und wir haben ihn ausgestopft." Wenn es bei ihnen einen Grundmodus gibt, dann ist es das Singgrölen über dreckige, harte Synthie-Beats. Auf Konzerten klingt das dann wie Punk. Und im Publikum grölen nicht selten ein paar Punks mit.
Homophobe Leute ärgern
Maxim Drüner erfindet außerdem immer wieder gar nicht so unkomplizierte Homophobenwitze, auch in "Doitschland schafft sich ab": "Für mich sind Heteros ehrenlos, ich kanns nicht checken, wie kann man da, wo man rauskam, sein Schwanz reinstecken?" Er tut das bewusst: "Homophobe Leute ärgern macht richtig Spaß. Das Lustige ist ja, dass Homophobie meist da stattfindet, wo nur Männer zusammen sind. Beim Fußball ist es kein Problem, wenn sich alle übereinander stapeln, gemeinsam duschen, sich mit dem Handtuch auspeitschen. Aber n Schwulen würde ich tottreten, sagen dieselben Typen dann." Seltsam, findet er. Da wirken K.I.Z. manchmal fast genderpolitisch. "Ich bin für eine Schwulenquote beim Fußball", sagt Bori.
Drüner ist mittlerweile in die Politik gegangen. Er tritt für die Partei des ehemaligen Titanic-Chefs Martin Sonneborn in Berlin an, Landeslistenplatz 13. K.I.Z.-Kollege Nico Seyfrid steht auf Platz 12. Eine Schwulenquote beim Fußball, sollten sie das fordern? "Nee, das ist Quatsch. Ist ja bewiesen, dass Heteros bessere Sportler sind", sagt Drüner. Er lacht nicht. Vielleicht schützt Verunsicherung vor der Provokationsverbeamtung.
K.I.Z.: "Urlaub fürs Gehirn", (Universal), live: 11. 6. Aurich; 1. 7. Tübingen, Sudhaus; 2. 7. Lingen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag