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Archiv-Artikel

KIRGISIEN: RUSSLAND WILL IN ZENTRALASIEN ORDNUNGSMACHT BLEIBEN Putin lernt aus seinen Fehlern

Vorgestern Georgien, gestern die Ukraine, heute Kirgisien. In Schwindel erregendem Tempo erodiert die einstige Vormachtrolle Russlands in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Diese Entwicklung hat sich Moskau selbst zuzuschreiben. Ausgerechnet Wladimir Putin, der antrat, den Bedeutungsverlust der strauchelnden Großmacht wettzumachen und sich in Anlehnung an Peter den Großen schon als „Sammler russischer Erde“ empfahl, muss sich nun mit der Rolle des Archivars einer glorreichen imperialen Vergangenheit begnügen. Und dies ist milde formuliert. Böse Zungen nennen ihn schon einen Totengräber.

Der Zerfall der Sowjetunion vor fünfzehn Jahren hinterließ in vielen Nachfolgeländern und ihren Anrainerstaaten ein empfindliches Machtvakuum. Mit der Gründung der Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS) hoffte Moskau, halbwegs an die Rolle als alte Ordnungsmacht anknüpfen zu können. Dieser Versuch schlug fehl. Nicht zuletzt, weil der Kreml auf alte Modelle zurückgriff: Druck, Erpressung und hoffähige Vasallen. Der Krieg in Tschetschenien zeigte überdies, dass Moskaus Politik dem Terrorismus eher Auftrieb verlieh, denn ihn einzudämmen. Wenig spricht dafür, dass Russland im muslimischen Zentralasien im Notfall mehr Fingerspitzengefühl an den Tag gelegt hätte. Vor diesem Hintergrund mag man den Rückzug des einstigen Hegemons begrüßen.

Dennoch ist keinesfalls klar, wohin der Aufbruch Kirgisiens Zentralasien führen wird. Dass sich der Volkswille Gehör verschafft, ist erfreulich. Darin eine demokratische Bewegung nach westlichem Vorbild zu sehen, wäre indes naiv.

Wie im Irak können auch in Kirgisien und Usbekistan Kräfte auf der Szene erscheinen, die bislang im Hintergrund wirkten – radikale islamistische Bewegungen wie die Hisb ut-Tahrir haben im Fergana-Tal und im Süden Kirgisiens erhebliche Gefolgschaft. Moskau hat einerseits dem gestürzten Staatschef Akajew Asyl angeboten und andererseits der neuen Regierung eine gute Zusammenarbeit. Dies zeigt, dass der Antiterrorkoalitionär Putin immerhin begriffen hat, wie es funktioniert, nicht alle Macht jenseits der russischen Grenze zu verspielen. KLAUS-HELGE DONATH