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KGB an die parlamentarische Leine

■ Auf der ersten Sitzung des neuen Obersten Sowjet am Wochenende wurde ein Kontrollgremium für den Geheimdienst beschlossen / Nicolai Ryschkow soll Ministerpräsident bleiben

Moskau (afp/dpa/ap) - Der sowjetische Geheimdienst KGB soll künftig parlamentarisch kontrolliert werden. Auf seiner ersten Sitzung am Samstag beschloß der neue Oberste Sowjet, ein „Verteidigungs- und Staatssicherheitskomitee“ als Kontrollorgan des Geheimdienstes einzurichten. Soviel Glasnost war dem alten Obersten Sowjet, der keinen Einblick in die Arbeit des KGB und der politischen Polizei erhalten hatte, bislang verwehrt worden.

Zum neuen Präsidenten des Unionsrates, eines der beiden Kammern des Obersten Sowjet, wurde der Wirtschaftsexperte Jewgeni Primakow gewählt. In diplomatischen Kreisen gilt er als Verfechter einer Entspannungspolitik und als Anhänger der Gorbatschowschen Reformpolitik. Primakow ist Mitglied des Zentralkomitees der KPdSU und Direktor des „Instituts für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen“. Während der Unionsrat, zuständig für Angelegenheiten der gesamten Sowjetunion, die Arbeit bereits am vergangenen Wochenende aufnahm, wird die zweite Kammer des Obersten Sowjet, der Nationalitätenrat, erst heute zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentreten.

Das ZK der KPdSU beschloß am Wochenende, den bisherigen Ministerpräsidenten Nikolai Ryschkow erneut für dieses Amt vorzuschlagen. Vor der Wahl Ryschkows, der als Wirtschafts und Management-Experte gilt, erwarten Beobachter allerdings heftige Diskussionen über den Erfolg der bisherigen Wirtschaftsreformen.

Wie aus Kreisen der Volksdeputierten verlautete, würden mit ziemlicher Sicherheit einige Köpfe im Kabinett rollen. Die Zeitung 'Sowjetskaja Rossija‘ hatte Ryschkow mit den Worten zitiert: „Ich denke, daß bedeutende Veränderungen in der Zusammensetzung des Ministerrates notwendig sind.“ Auf dem Volksdeputiertenkongreß letzte Woche war aber auch Ryschkow selbst kritisiert worden. Ein Abgeordneter nannte ihn einen „ökologischen Analphabeten“, dessen Politik die Umwelt ruiniere.

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