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Archiv-Artikel

KAUM JEMAND TRAUT CHIRAC ZU, NUKLEARWAFFEN EINZUSETZEN Neuer Markt für kleine Atombomben

Hirochirac ist zurück. Zehn Jahre nach der letzten französische Atomtestserie auf dem Pazifikatoll Moruroa schlägt Jacques Chirac jetzt erneut zu. Dieses Mal geht es nicht um Tests, sondern um den Echteinsatz von Atombomben: Chirac droht unverhohlen damit, seine Bomben gegen Staaten einzusetzen, die beabsichtigen, terroristische Mittel gegen Frankreich anzuwenden.

Damit ordnet erstmals ein französischer Staatschef das gewaltige nukleare Arsenal seines Landes in die Terrorismusbekämpfung ein. Das ist eine neue Qualität. Er gibt der Force de frappe, die von General de Gaulle im Kalten Krieg zur Bekämpfung feindlicher Staaten gegründet worden ist, grundsätzlich neue Aufgaben für die Zukunft.

Zugleich öffnet Chirac mit seiner Ankündigung neue Wege für die Atomwaffenmodernisierung und -produktion. Denn gezielte Einsätze bei terrorismusunterstützenden Regionalmächten in weit entfernten Ländern der Dritten Welt verlangen andere Typen von Atombomben als der verschwundene Gegner in Europa.

Die französische Öffentlichkeit reagiert so gelassen wie in Atomfragen üblich. Sie lebt seit mehr als einem halben Jahrhundert mit einem gigantischen militärisch-industriellen Komplex im eigenen Land. Der versorgt Frankreich nicht nur mit dem größten Teil seiner Energie, sondern auf ihm gründet auch der militärische Großmachtanspruch Frankreichs. Nur ein verschwindend kleiner Teil der Bevölkerung steht diesem Atomsektor, einem Staat im Staate, kritisch gegenüber. Das Vertrauen geht so weit, dass nicht einmal ausgesprochene AtomgegnerInnen ihrem Präsidenten zutrauen, er könnte die Atombombe tatsächlich eines Tages anwenden.

Dennoch ist die Drohung von Chirac eine Bombe für die französische Politik. Einerseits macht sie Paris international unglaubwürdig, insbesondere im Umgang mit Regionalmächten, die an Atomwaffen interessiert sein könnten, etwa dem Iran. Andererseits sorgt die Bombendrohung für eine Nuklearisierung des französischen Präsidentschaftswahlkampfs. DOROTHEA HAHN