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Archiv-Artikel

KABINENPREDIGT VON JOHANNES KOPP Sport ohne Körper

Vom Diskuswerfer Robert Harting, dem Berliner Hoffnungsträger bei der Leichathletik-WM, ist der Ausspruch verbürgt: „Im Sport ist 90 Prozent mental, der Rest ist Kopfsache.“ Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet ein Wurfspezialist seine Tätigkeit so unabhängig von seiner körperlichen Konstitution definieren kann. Aber die Behauptung hat etwas Verführerisches.

Wäre sie justiziabel, würde ihr die deutsche Eisschnelllauflegende Claudia Pechstein gewiss hundertprozentig zustimmen wollen. Denn ihr Körper, genauer dessen ungewöhnliche Blutwerte, hat sie zuletzt sehr in Bedrängnis gebracht. Die Indizien deuten auf Blutdoping hin, weshalb der Weltverband (ISU) sie für zwei Jahre sperrte.

Dagegen hat Pechstein nun letzte Woche beim Internationalen Sportgerichtshof geklagt. Die Berlinerin spekuliert, dass ihre Werte mit einer ihr noch unbekannten Krankheit zusammenhängen könnten. Wenn man mit 37 Jahren selbst mit einer Krankheit Mehrkampf-Europameisterin werden kann, dann hat der Leistungssport tatsächlich nicht mehr viel mit dem Körper zu tun.

Die Ergebnisse der Blutproben bringen Pechstein so in Erklärungsnot, dass sie bereits ihre alternative Verteidigungsstrategie angedeutet hat. Sie wird die Verwertbarkeit der Ergebnisse anzweifeln, weil die Entnahmen der Proben angeblich nicht dem vorgeschriebenen Standard der Welt-Doping-Agentur entsprechen. Im Krankenhaus der norwegischen Stadt Hamar, wo die Originaldaten von Pechsteins Proben von der WM 2007 gespeichert sind, wurde gerade ein Mann auffällig, der sich als „boyfriend“ von Pechstein ausgab und rüde die Computerdateien einforderte.

Auch Eishockeyprofi Florian Busch von den Eisbären Berlin legte vergangene Woche beim Internationalen Sportgerichtshof (CAS) Einspruch gegen seine zweijährige Dopingsperre ein. Busch hatte im Frühjahr 2008 eine Dopingprobe verweigert, die deshalb als positiv gewertet wurde. Ob er in Deutschland gesperrt werden kann, ist sowieso fragwürdig, da die Liga privatrechtlich organisiert ist. Und solange das Revisionsverfahren läuft, ist das Spielverbot eh nicht wirksam.

Zumindest im Dschungel der nationalen und internationalen Dopinggesetzgebung scheint Sport in erster Linie Kopfsache zu sein.