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Justizministerin räumt Probleme ein

■ Strafrechtsänderung nach Auschwitz-Lüge-Urteil erwogen

Bonn (taz/AP) – Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs zur sogenannten Auschwitz-Lüge schließt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger eine Strafrechtsänderung nicht aus. Die Entscheidung mache deutlich, daß Gerichte mit der Auslegung des Straftatbestandes der Volksverhetzung gewisse Probleme hätten, räumte die FDP-Politikerin in einem gestern in Bonn veröffentlichten Gastkommentar für die Jüdische Allgemeine Wochenzeitung ein. Sie nannte es verständlich, daß das Urteil empörte Reaktionen ausgelöst habe. „Ich habe Respekt vor denen, die nicht verstehen können, daß die Leugnung der geschichtlichen Tatsache, daß Millionen jüdischer Bürger in den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten ermordet worden sind, juristisch so aufwendig geprüft werden muß“, schrieb sie. Das Gericht hatte die Verurteilung, unter anderem wegen Volksverhetzung, des NPD-Vorsitzenden Günter Deckert aufgehoben. Deckert hatte einen Vortrag eines amerikanischen „Experten“ übersetzt, der den Massenmord der Nationalsozialisten in den Konzentrationslagern leugnete. Die schriftlichen Urteilsgründe lägen erst in einigen Wochen vor und würden dann gründlich ausgewertet, meinte Leutheusser-Schnarrenberger: „Wenn unser Strafrecht geändert werden muß, werde ich das unverzüglich in Angriff nehmen.“

Die Ministerin berichtete außerdem über den von der Koalition eingebrachten Entwurf eines Verbrechensbekämpfungsgesetzes. Danach solle künftig bei der Aufstachelung zu Haß, Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen Teile der Bevölkerung die zusätzliche Prüfung entfallen, ob darin ein Angriff auf die Menschenwürde zu sehen ist. Das brauche der Strafrichter künftig nur beim Beschimpfen oder bei böswilligem Verächtlichmachen von Bevölkerungsteilen zu prüfen. Durch eine Änderung von Strafvorschriften solle es möglich werden, der pauschalen Diffamierung von Gruppen und Minderheiten in Zukunft auch mit Mitteln des Strafrechts wirksamer zu begegnen.

Leutheusser-Schnarrenberger forderte darüber hinaus die politische Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus: „Wir dürfen nicht zulassen, daß rassisches und völkisch-nationales Gedankengut wieder fruchtbaren Boden findet. Der verantwortungslose Umgang mit Unworten wie ,Durchrassung‘ und ,Überfremdung‘ hilft den Ewiggestrigen.“ Die FDP-Politikerin riet Schülern und Erwachsenen, den Film „Schindlers Liste“ zu sehen. Damit könne vor allem eines verhindert werden: „Die ,Einordnung‘ des Holocaust in die Geschichte der Deutschen als ,Ereignis‘, seine Verdrängung und das Vergessen“.

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