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■ KommentarJustiz ist politisch

Daß es überhaupt zu dem brutalen Einsatz der Polizei gegen Trauergäste am Flughafen kam, ist skandalös genug. Auch daß die Staatsdiener in Grün ob ihrer unkontrollierten Schlagstöcke keine Konsequenzen befürchten mußten, hat die Hansestadt nicht gerade mit antirassistischem Ruhm bekleckert. Dank der verständnisvollen Oberstaatsanwältin Zippel, die sich im Polizeiskandal durch ihre hohe Toleranzschwelle für prügelnde Polizisten hervorgetan hat und gerade kürzlich zur Hauptabteilungsleiterin befördert wurde.

Eine gerichtliche Rehabilitation der vorwiegend türkischen DemonstrantInnen, die nichts weiter wollten, als nach den Morden von Mölln den Angehörigen der Opfer ihre Solidarität bekunden, wäre das Mindeste gewesen. Diese Chance wurde vertan.

Richter ziehen sich gerne auf das formaljuristische Argument zurück, sie hätten aufgrund der Rechtslage gar nicht anders entscheiden können. Doch Gerichte leben nicht im gesellschaftlichen Vakuum; Urteile wie dieses haben immer auch eine politische Signalwirkung, gerade in Zeiten des Polizeiskandals.

Die Justiz kann nicht für die Politik, in diesem Fall für Ex-Innensenator Hackmann, geradestehen. Denn in einer Demokratie sollte es keine politische Justiz geben; wohl aber ist die Justiz politisch.

Bei der Entscheidung, ob die Verhältnismäßigkeit der Mittel – gezogene Pistolen wegen eines vagen LKA-Hinweises – bei der Mölln-Trauerfeier gewahrt wurde oder nicht, bewegten sich die Richter in einem weit gesteckten Interpretationsspielraum. Und den haben sie genutzt. Zum Schaden von Menschlichkeit und Demokratie. Silke Mertins

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