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Juristen fordern „Politikbeiräte“

■ Der Bundesvorsitzende der „Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen“ will Rechtmäßigkeit polizeilicher Maßnahmen besser überwachen und dabei die Bürgerbeteiligung verstärken

Aus Bremen Klaus Wolschner

Der Staat hat in den letzten Wochen in Celle, Wackersdorf, Brokdorf/Hamburg, Mainz und Göttingen „sein Gewaltmonopol unzulässig ausgeübt“, das stellt der Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen, der Bremer Senatsrat Horst Isola in einem Positionspapier „zum Gewaltmonopol des Staates“ fest, das auf einer Pressekonferenz in Bremen vorgestellt wurde. Die „Kontrolle der Polizei“ sei „mangelhaft“, heißt es da, weil „der jeweilige Innenminister .. . es sich in der Regel nicht mit seiner Polizei verderben (möchte)“. Vom Parlament eingesetzte „Polizeibeiräte“ sollten deshalb die Rechtmäßigkeit polizeilicher Maßnahmen „überwachen“, die polizeiliche Ausbildung beobachten und Schußwaffeneinsätze überprüfen. Sie sollten „jederzeit Akten einsehen“ können, die „Räumlichkeiten der Polizei betreten“ und bei Einsätzen anwesend sein dürfen. „Mit Sorge“ verfolgen die sozialdemokratischen Juristen die „Zunahme von Straftaten seitens der Polizei“, entsprechende Fälle werden derzeit aufgelistet und sollen zum Thema eines „Gustav– Radbruch–Symposiums“ im Somer werden. Bremische Polizeibeamte sollten sich „nicht in anderen Bundesländern an Einsätzen beteiligen, die nach bremischem Verständnis rechtswidrig sind“, meinte Horst Isola in Anspielung auf die Amtshilfe beim „Hamburger Kessel“. Wenn die derzeitige Bundesregierung weiter amtiert, erläuterte er, seien weitergehende Kontrollinstrumente der Behörden über den Bürger zu befürchten - die Bürger sollten dann wenigstens an einem Namensschildchen erkennen können, wer sie da kontrolliert. Nach US–Vorbild soll, so der ASJ– Vorsitzende, ein „Informationsfreiheits–Gesetz“ im Bund oder auch in einzelnen Bundesländern verabschiedet werden, das den Bürgern Zugang zu Behördeninformationen verschaffen soll. In Bonn soll ein Gesetz über den „Volksentscheid“ eingeführt werden, eventuell auch in Form eines „Veto–Rechts“ gegen Parlamentsentscheidungen. Die Bundesrichterwahlen sollen demokratisiert werden, ein „Volksanwalt“ soll als Institution eingeführt werden, um die Arbeit des Petitionsausschusses „weiterzuentwickeln“ und zu stärken. Der Bremer SPD–Landesvorsitzende Herbert Brückner, der die Pressekonferenz gemeinsam mit dem ASJ–Vorsitzenden bestritt, verband seine Vorschläge mit der Forderung, die „Demokratiedebatte“ wiederzubeleben. Mit den regierenden SPD–Genossen sind solche Vorschläge jedoch nicht abgestimmt, genausowenig mit den SPD–Fraktionen, die ähnliche Anträge der Grünen in den Parlamenten bisher in aller Regel abgelehnt haben. Brückner: „Natürlich haben wir nicht, bevor wir den Mund auftun, alle in der Exekutive gefragt, was sie davon halten.“ Der Bremer Innensenator hält, wie absehbar, von den Vorschlägen der ASJ nichts: Er habe „keinen Zweifel an der rechtsstaatlichen und liberalen Haltung der Bremer Polizei.“

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