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Junge Union diskutiert über den SSWNicht dänisch genug

Mitglieder der Jungen Union in Schleswig-Holstein stellen die Rechte des SSW in Frage. Die „linke Programmpartei“ könne nicht beanspruchen, für die Dänen im Land zu sprechen.

Umstrittenes Plakat: Auch CDU-Spitzenkandidat Jost de Jager warnt vor einer Regierungsbeteiligung des SSW. Bild: dpa

HAMBURG taz | Bei der Jungen Union (JU) in Schleswig-Holstein gibt es massiven Unmut über den Sonderstatus des Südschleswigschen Wählerverbands (SSW), der Partei der dänischen und friesischen Minderheit. In einem Dringlichkeitsantrag für den Schleswig-Holstein-Rat, eine Art kleiner Parteitag, stellten Mitglieder des Jugendverbandes der CDU die Rolle des SSW fundamental in Frage und machen Stimmung gegen ihn: Sie bezweifeln, dass es verfassungsgemäß ist, die Partei von der Fünfprozenthürde auszunehmen. Das würde schließlich deutsche Parteien diskriminieren, die an dieser Grenze scheiterten. Außerdem behaupten die Antragssteller, dass der SSW nicht für die dänische Minderheit sprechen könne. So beschreibt jedenfalls der Landesvorsitzende der JU Frederik Heinz den Antrag.

Im Landeswahlrecht ist geregelt, dass „Parteien der dänischen Minderheit“ von der Sperrklausel ausgenommen werden. Der rund 60-köpfige JU-Rat tagt am Donnerstag in Kiel. Am gleichen Tag beginnen die Sondierungsgespräche für eine „Dänen-Ampel“ aus SPD, Grünen und dem SSW. Die drei Parteien haben im neuen Landtag eine Ein-Stimmen-Mehrheit.

Eine solche Koalition nannte Heinz in einer Pressemitteilung „erwiesenermaßen instabil und demokratisch zweifelhaft“. Instabilität und Schuldenmacherei hatte die CDU diesem möglichen Bündnis in der Schlussphase des Wahlkampfes immer wieder vorgeworfen – es gab sogar ein umstrittenes Plakatmotiv, das vor der Dänen-Ampel warnte.

Der SSW werde in seinem Verband als linke Programmpartei wahrgenommen, sagt Heinz. Ob der SSW überhaupt die dänische Minderheit vertrete, stehe zur Debatte, weil man ihn auch im Süden des Landes wählen kann und auch Deutsche bei ihm Mitglied werden können.

Die Argumente der Jungen Union sind alles andere als neu, in den Jahren 2000 und 2005 gab es Wahlprüfungsbeschwerden, die auf die Sonderrolle des SSW abzielten. Erstere ging sogar zwei Mal vors Bundesverfassungsgericht. Den Status des SSW und die Rechte von Minderheitenparteien hat das nicht verändert, sondern gefestigt. Die Ausnahme von der Fünfprozenthürde für sie ist schon lange höchstrichterlich abgesegnet. Dass der SSW eine Partei der Minderheit ist, sei klar, sagt Hans-Jürgen Thiel, ein Mitarbeiter der Kieler Landeswahlleiterin. Das sei auch in den beiden Beschwerdeverfahren geprüft worden. Entscheidend sei, dass die Partei sich selbst so verstehe und das auch in den Satzungen stehe.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Junge Union weiter als die CDU geht in der Kritik am SSW. Mitglieder der JU Köln sendeten im Jahr 2005 Müllpakete an den SSW, als der bereit war, eine rot-grüne Regierung zu tolerieren. Dazu kam es nicht, eine Stimme für die Wahl der Ministerpräsidentin fehlte.

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12 Kommentare

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  • MH
    Marwin Hens

    ...und CDU und JU können nicht beanspruchen, für die Christen in diesem Land zu sprechen, denn die Politik jener Organisationen ist durch und durch ungerecht. Deren Politik macht deutlich, dass sie nicht Gott, sondern dem Götzen des freien Marktes dienen, denn das Wohl und das Vertrauen der (Finanz-)Märkte stehen für CDU und JU weit über dem Wohl aller Menschen. Christentum und Konservatismus passen nicht zusammen, CDU und JU sollten mal das Neue Testament lesen, dann wüssten sie, wie fortschrittlich Jesus handelte, wie revolutionär auch in der heutigen Zeit noch Seine Worte und Taten sind, und wie fortschrittlich die ersten Christen lebten. Aber das bekämpfen CDU und JU ja als Kommunismus.

  • J
    Jana

    @ Montcerf: Jup! Sollte sich (aus der dänischen oder sorbischen Volksgruppe heraus) eine weitere zweite Minderheiten-Partei gründen, würde diese auch unter von der Sperrklausel ausgenommen sein.

     

    Einen Zwang einer einheitlichen politischen Vertretung gibt es natürlich nicht. Eher vielleicht einen Sachzwang. Man ist als nationale Minderheit ja eh schon relativ klein und würde die Möglichkeiten politischer Mitgestaltung mit zwei Parteien wahrscheinlich eher verringen.

     

    Was bundesweit bei der Berichterstattung über den SSW leider etwas untergeht, ist dass es eben auch im SSW selber Konservative gibt. Als ein markantes Beispiel sei an den früheren friesischen Landtagsabgeordneten Bahnsen erinnert, der auch als eher bürgerlich galt.

  • M
    Montcerf

    @ Jana: Es ist mir natürlich bekannt, dass es diese Ausnahme von der Sperrklausel für Minderheiten gibt. Angesichts dieser absurden Diskussion über die Tatsache, dass der SSW auch mit einem programmatischen Profil antritt, fragte ich mich jedoch, ob irgendwo ein Zwang zur einheitlichen politischen Vertretung von Minderheiten festgelegt ist, und eine alternative Formation nicht als zweite Minderheitenpartei anerkannt würde.

  • J
    Jana

    @ Montcerf: Ja, auf Bundesebene und zum Teil auf Landesebene sind Parteien anerkannter nationaler Minderheiten von der Sperrklausel befreit (also Dänen, Friesen, Sorben). Das betrifft meines Wissens zur Zeit den SSW und eine sorbische Partei in Ostdeutschland. Auch das Wahlkomitee der deutschen Minderheit im Nachbarland Polen ist von der Sperrklausel ausgenommen (dort gibt es diese Regelung also auch).

     

    Was die Junge Union allerdings gern übersieht, ist, dass es natürlich auch im SSW konservativere Stimmen gibt. Dass sich der SSW bei dieser Wahl erstmals für einen Regierungswechsel ausgesprochen hat, lag nicht an einer generellen Anbindung an rot-grün, sondern an der bisherigen Minderheitenpoltik der CDU, die von der dänischen Minderheit als diskriminierend aufgefasst wurde.

     

    Daher versteh ich die CDU zur Zeit auch nicht. Wenn die CDU weiterhin zu der Minderheitenpolitik der zwei Jahre steht, dann dürfte die CDU sich doch auch nicht wundern, dass das selbst bei konservativen SSWlern auf wenig Gegenliebe stößt.

  • H
    Henrik

    Vielleicht lerne Ich eines Tages die Logik der Union zu verstehen. Als die Polen gegen die Deutsche Minderheit in Oberschlesien gehetzt haben - und genau die selben Minderheitenschutz an die Müllkippe schmiessen - DANN hat die Union laut protestiert.... und jetzt?

  • DR
    Dieter Röttgen

    Interessant, wie rasch CDU und JU die nationalistische Karte rausholen.

  • P
    preilboxer

    Den Damen und Herren der JU scheint ihre Verfassungstreue abhanden gekommen zu sein, wer Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes außer acht lässt, steht neben der Verfassung. Blindwütiges Umsichschlagen scheint eine Spezies dieser Partei nebst Jugendorganisation zu sein. Die Hetze auf Minderheiten hat schon sehr groteske Züge für christliche Bürger eines vereinten Europa. Wer ein solches Bürgervotum -Abwahl einer erfolglosen Schwarz/Gelben Regierung- missachtet, zeigt sein wahres Demokratieverständnis. Schwarz/Braunes Bürgertum in einem Land zwischen den Meeren hat seine böse Vergangenheit. Hass auf Minderheiten verdeckt nur die eigene Unfähigkeit zeitgemäße Politik zu gestalten. Nicht aussondern sondern integrieren sind Schlüssel für ein friedvolles Nebeneinander. Verstehen sie die Wahlniederlage der CDU als Aufforderung sich zu erneuern. Wer keine Mehrheiten mehr hat, muss sie sich erarbeiten, die nächste Wahl wird es dann zeigen.

  • M
    Montcerf

    Eine Partei sollte auch ein Programm haben, oder muss eine Minderheitenpartei unbedingt unpolitisch sein?

     

    Ansonsten: spräche eigentlich etwas dagegen, wenn Dänen in S-H, die sich von der "linken Programmpartei" SSW nicht vertreten fühlen, eine konservative Konkurrenz gründen? Wäre diese Partei dann auch von der 5%-Hürde ausgenommen?

  • HA
    Hermann Augustin

    Das Bundesverfassungsgericht hat alle Versuche abgelehnt, das Gesetz zu ändern!

     

    Die Konservativen sind mal wieder zu feige und schicken ihre Jugendorganisation vor.

     

    Schlechte Verlierer!!!

  • MZ
    Matz Zinke

    dass der ssw seine privilegien (keine 5% hürde) nutzt, auch wenn die notwendigkeiten für diese privilegien schon seit jahren durch das zweitstimmen-wahlverfahren nicht mehr gegeben sind ist das eine.

    das andere ist aber, dass früher stets seitens des ssw gesagt wurde, dass dieses privileg nicht zum "königsmachen" ausgenutzt wird. leider hat man sich von dieser anständigen und moralisch festen meinung verabschiedet und macht nun koalition zum "politikwechsel".

    das ist zwar nach geltenden gesetzen legal aber weder demokratisch, noch legitim.

    die abschaffung des privilegs für den ssw ist überfällig!

    das ausnutzen der situation ist seitens der "dänen-ampel" unmoralisch.

  • J
    Jana

    Das ist doch nicht ganz nachzuvollziehen. Es war doch die CDU, die vor der Landtagswahl im Jahr 2000 das Wahlrecht dahingehend mit verändert hat, dass der SSW seitdem auch in Holstein gewählt werden kann (übrings damals gegen die Stimmen des SSW !) ! Wenn nun die Jugend der gleichen Partei genau das kritisiert, sollte sie sich eher an ihre eigene Partei als an den SSW wenden !

     

    Außerdem frag ich mich, warum die Junge Union dieses Thema immer nur dann zu interessieren scheint, wenn grade Wahlen gelaufen sind.

     

    Und warum die bisherige verfassungswidrige Ein-Stimmen-Mehrheit von CDU und FDP stabiler sein soll (so stabil, dass es sogar Neuwahlen geben musste...), als die verfassungskonforme Ein-Stimmen-Mehrheit aus SPD, Grünen und SSW, erschließt sich mir auch noch nicht so ganz.

     

    Und ob der SSW sich nun mehr links oder rechts oder sonstwo positioniert, ist doch schließlich Sache des SSW. Zumal die Junge Union den SSW linker macht, als er eigentlich ist (aber das passt den jungen CDUlern anscheinend grad gut ins Bild).

  • R
    reblek

    "Die drei Parteien haben im neuen Landtag eine Ein-Stimmen-Mehrheit." - Ich schätze mal, dass "Ein" ein Singular ist und nichts mit "Stimmen" zu tun haben kann, weshalb es sich um eine "Eine-Stimme-Mehrheit" handelt.

    "... weil man ihn auch im Süden des Landes wählen kann..." - Scherz am Rande: Deshalb heißt die Partei möglicherweise "Südschleswiger..."

    "... und das auch in den Satzungen stehe..." - Es ist zu hoffen, dass die Partei nur eine Satzung hat und der Plural dem Glauben Schreibender geschuldet ist, er sei beeindruckender.