: Julia Timoschenko ist fast am Ziel
Die charismatische Politikerin hat den Präsidenten dazu gebracht, das Parlament aufzulösen – aus Eigeninteresse
LWIW taz ■ Julia Timoschenko wirkte sehr zufrieden, als sie in der Nacht auf Dienstag zu ihren Anhängern sprach. Nach dem Erlass von Präsident Juschtschenko über die Auflösung des Parlaments, den sie als einen „mutigen Schritt“ bezeichnet hat, ist sie ihrem Ziel ein Stück näher gekommen. Seit Monaten plädiert die Politikerin für Neuwahlen – laut Timoschenko die einzige Möglichkeit, das Land aus der Krise herauszuführen und den schleichenden Autoritarismus zu verhindern.
Dabei hat die Oppositionspolitikerin seit der Bildung der Parlamentsmehrheit im vergangenen Sommer auf das Ziel Neuwahlen hingearbeitet. Es ging ihr nicht ausschließlich um den Machtkampf zwischen den Vertretern des „orangefarbenen“ Lagers und ihren politischen Gegnern. Sie wurde auch nicht ausschließlich von der Sorge um die Demokratie getrieben, obwohl die Partei des Premierministers mit ihrem Versuch, die Kontrolle über alle Bereiche des öffentlichen Lebens zu übernehmen, die ganze ukrainische Gesellschaft vor eine Herausforderung gestellt hat. Manchmal hat Timoschenko der Regierung sogar in die Hände gespielt – als ihre Fraktion die Stimmen lieferte, um Entscheidungen des Präsidenten zu überstimmen.
Die Gefahr für Timoschenko bestand darin, bis zu den nächsten regulären Präsidentschaftswahlen im Jahr 2009 entscheidend Boden zu verlieren. Doch erst die Perspektive, dass durch Abwerben von Abgeordneten die Oppositionsfraktionen dezimiert werden und eine Verfassungsmehrheit im Parlament zustande kommt, ließ die „orangenen“ Kräfte wieder enger zusammenarbeiten. Timoschenko konnte den Präsidenten schließlich überzeugen, dass dies auch für ihn eine reale Gefahr ist.
Dennoch war für Juschtschenko die Entscheidung über Neuwahlen wirklich ein „mutiger Schritt“. Auf ein besseres Abschneiden bei der vorgezogenen Parlamentswahl kann nur Timoschenko rechnen, „Nascha Ukraina“ wird wohl weitere Stimmen einbüßen. Damit wird Timoschenko ihre Positionen im „orangenen Lager“ festigen – in dem Fall, dass die „Orangenen“ wieder die Mehrheit haben, wird sie fast automatisch Premierministerin. JURI DURKOT