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Jugendkriminalität: Hemmschwelle gesunken

Berlin. Das Freizeithobby Nummer 1 von Jugendlichen in Berlin scheint in zunehmendem Maße Raub, Körperverletzung und Erpressung zu werden. Kaum ein Tag vergeht inzwischen in der Hauptstadt, an dem nicht Gruppen junger Leute neue Opfer überfielen, sie ausraubten oder verprügelten. Neben mehreren hundert Skinheads treten derzeit 15 der Polizei namentlich bekannte „Teams“ häufiger in Erscheinung.

Die rund 3.000 im vergangenen Jahr registrierten „Delikte der Gruppenkriminalität" in der Stadt nehmen sich zwar bei insgesamt etwa 350.000 Straftaten gering aus, doch ist leider ein ansteigendes aggressives Potential bei den jungen Leuten festzustellen. Ohne Zweifel ist die Hemmschwelle der Gewalt unter den Jugendlichen gesunken, heißt es in Polizeikreisen. Besonders schwere Körperverletzungen sind mehr und mehr die Folge der Auseinandersetzungen. Verstärkte Kritik üben in diesem Zusammenhang die Ordnungshüter vor allem an den Medien, die „Jugendgruppen ungefiltert durchweg als Street- Gangs“ bezeichnen. Jedoch sei vielmehr festzustellen, daß sich von diesen „Freundeskreisen nur ein Bruchteil kriminell verhält“. Überhaupt sind nach Angaben der Polizei von den bis 21Jährigen nicht einmal 10 Prozent einschlägig registriert. Deshalb sollte schnell diese Schwarzweißmalerei aufhören, denn „sie sporne zu neuen Erfolgserlebnissen“ an, meinen Polizeivertreter.

Leider werden die Beamten in den grünen Uniformen oftmals als alleiniger Ansprechpartner der Jugendlichen bei der Bevölkerung gesehen, sollen sie für Ruhe und Ordnung in der Stadt sorgen. Wie Analysen belegen, verbringen aber nicht wenige der straffällig gewordenen jungen Leute ohne Wissen der Eltern ihre Freizeit. Soll dieses Phänomen der Jugendkriminalität in Zukunft nicht ausufern, so müssen sich alle — von den Eltern über die Schule bis hin zu gesellschaftlichen Organisationen — diesem Problem annehmen, schätzen Experten ein. Der Dialog mit den Jugendlichen müsse einfach gesucht werden. Erste positive Ergebnisse liegen dabei schon auf dem Tisch.

So hat die Ausländerbeauftragte beim Senat einen Arbeitskreis „Jugend gegen Gewalt“ gegründet. Gleichaltrige unterschiedlicher Nationalitäten wollen hierbei mit Flugblattaktionen, Werbespots und Gesprächsrunden die Agressivität von Jugendgruppen eindämmen. Auch bei der Polizei gibt es seit Februar 1990 eine Arbeitsgruppe Gruppengewalt, in der sich Beamte speziell mit dieser Szene beschäftigen, Fakten und Informationen sammeln und diese gezielt auswerten. Polizisten treten aber auch verstärkt vorbeugend auf, in dem sie Informationsveranstaltungen in Schulen vor Lehrern und Eltern, bei Verbänden und Parteien durchführen. adn

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