Jugendbanden in El Salvador: „Banden können Teil der Lösung sein“
Der ehemalige Guerillakommandant Raúl Mijango hat es geschafft: Er vermittelte ein Abkommen zwischen den zwei größten und gewalttätigsten Jugendbanden El Salvadors.
taz: Herr Mijango, Sie haben das Abkommen der beiden Jugendbanden Salvatrucha und Mara 18 vermittelt. Glauben Sie, dass es eine Perspektive hat?
Rañl Mijango: Ich halte es für irreversibel, weil alle gewinnen. Es hat dem Land seit 9. März 342 Tote erspart. Das Besondere ist, dass es sich nicht um einen Verhandlungsprozess zwischen Regierung und Banden handelt, sondern um ein Abkommen zwischen den Banden.
Halten sich alle Bandenmitglieder daran?
Die Basis respektiert sehr diszipliniert die Entscheidungen ihrer Chefs. Es gilt ein strenger Ehrenkodex, in dem Wortbruch verpönt ist. Natürlich hat es vorher einen Konsultationsprozess gegeben.
Aber die Banden treffen sich ja jetzt schwerlich nur mehr zu Kaffeekränzchen.
Die Schutzgelderpressungen und der Drogenhandel gehen vorerst weiter. Aber wir haben erreicht, dass die Banden erkennen, dass sie nicht nur Teil des Problems sind, sondern auch Teil der Lösung sein können. Auch die etwa 10.000 Gefangenen haben ein Kommuniqué herausgegeben, in dem sie den Prozess unterstützen, obwohl ihnen weder Amnestie noch Strafnachlass in Aussicht gestellt wurden.
ist der einstige Kommandant und spätere Abgeordnete der ehemaligen Guerilla FMLN. Er hat das Abkommen gemeinsam mit dem Militärbischof Fabio Colindres vermittelt.
Vor nicht allzu langer Zeit hieß es, das Problem der Jugendbanden sei politisch unlösbar.
Das war ein Irrtum. Die Bandenchefs sind sehr gebildet, sie lesen viel. Die meisten sind zweisprachig und kennen die Gesetze.
Am 9. März schlossen die beiden größten Jugendbanden El Salvadors, die Pandilla Salvatrucha und die Mara 18, ein Abkommen, in dem sie darauf verzichten, Gebietsstreitigkeiten blutig auszutragen, und sich verpflichten, keine Sicherheitskräfte und Behördenvertreter mehr zu attackieren. Seither ist die Todesrate durch Gewalteinwirkung von durchschnittlich 14 auf 5 pro Tag gesunken. Am 3. Mai wurden in einer zweiten gemeinsamen Erklärung die Schulen zu Friedenszonen erklärt. Auch auf Zwangsrekrutierungen wollen die Banden verzichten. Das Interview fand Ende April in San Salvador statt. (rld)
Und wie kann ihnen die Regierung entgegenkommen?
Es geht nicht nur um ein kriminelles Phänomen, sondern um dessen soziale und wirtschaftliche Ursachen. Es geht um Ausgeschlossene, die keine Arbeit finden. Wenn sie Jobangebote hätten, würden sie diese annehmen. Eine Politik der harten Hand löst nur mehr Gewalt aus. Präsident Mauricio Funes will daher die Gesellschaft aufrufen, den Prozess zu unterstützen. Ich denke da an Programme, wie sie nach dem bewaffneten Konflikt den ehemaligen Guerilleros und Soldaten angeboten wurden. Wir brauchen Stipendien und Kleinunternehmen. Die Gefängnisse müssen in Produktionszonen umgewandelt werden, wo die Häftlinge Geld verdienen können und nicht ihren Familien auf der Tasche liegen.
Ein Jugendlicher, der nichts gelernt hat, gewinnt mit einer Waffe Prestige. Welches Interesse können die haben, jetzt Bäcker oder Kellner zu werden?
Aus einem guten Grund haben sie Interesse: Erstens ist ihre Lebenserwartung in der Bande fast null. Dann stimmt es auch nicht, dass sie mit illegalen Aktivitäten viel Geld verdienen. Das meiste müssen sie für Anwälte ausgeben oder für die Bestechung von Richtern. Im Grunde bleiben sie arm. Ich habe ein Konzept vorgeschlagen, das sich kommunitäre Sicherheit nennt. Die Jugendlichen sollen in den eigenen Bezirken für die Sicherheit sorgen: für Geld. Heute sorgen sie für Unsicherheit.
Spielt auch die Polizei mit und nimmt nicht mehr routinemäßig alle jungen Männer mit Tätowierung fest?
Das ist ein Problem. Die Polizei und vor allem einige ihrer Kommandanten nützen die Situation und veranstalten große Razzien. Das schadet uns, weil die Geste guten Willens mit Repression beantwortet wird.
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