■ Johannes Paul II. besucht in diesem Monat das Baltikum: Ist der Heilige Vater ein Litauer?
Vilnius/Riga (taz) – In den kommunistischen Ländern war es Brauch, daß der amtierende Staatssekretär bei Besuchen in der Provinz extra für ihn gesäuberte Straßen und angemalte Fassaden vorfand. Vilnius ist nun nicht mehr sowjetische Provinz. Dennoch läßt sich in diesen Tagen in der litauischen Hauptstadt ähnliches beobachten. Damit das Papstmobil wegen eventueller Schlaglöcher nicht ins Trudeln kommt, werden in großer Eile entlang der Protokollstrecke die Straßen auf westlich- schlaglochfreies Niveau gebracht. Hunderte von Arbeitern, darunter viele Frauen, malen an den Fassaden der immer noch verfallenden Altstadt herum. Vom 4. bis 10. September wird der Papst die drei baltischen Republiken besuchen – zuerst ist Litauen dran.
In Litauen steht die Visite unter ganz besonderen Vorzeichen. Zwar sind die Litauer nominell zu 90 Prozent katholisch, sie haben aber ein Problem mit den Polen. Und der Papst ist schließlich einer. Vilnius selbst war zwischen den beiden Weltkriegen ein Teil Polens, Stalin überließ die Stadt dann in Absprache mit Hitler der in sein Reich eingegliederten Sowjetrepublik Litauen. Heute leben in Vilnius, neben den Litauern, je ca. 20 Prozent Russen und Polen. Nur bei Verständigungsversuchen mit russischen Wörtern verdrehen die Litauer die Augen, polnisch dagegen ist beinahe erlaubt. Die meisten der Bauarbeiten an der Papststrecke erledigen polnische Firmen. Andererseits versuchen die Litauer den Polen aber auch immer wieder klarzumachen, daß sie die Herren im Lande sind. Polnische Wörter auf Straßenschildern sucht man vergeblich, sogar aus einer Kirche ließ man nach der für den Papst erfolgten Renovierung polnische Inschriften entfernen. Litauische Historiker versuchen außerdem an der Identität von Papst Woytila herumzukratzen. In Wirklichkeit sei der gar kein Pole, verbreiten litauische Zeitungen. Seine Mutter müsse Vaidla geheißen haben, somit sei der Papst ein polonisierter Litauer. Ein Sprecher des Vatikans meinte dazu, daß der Papst zumindest „enge Beziehungen zu Litauen“ habe.
Bis zu einer Million Besucher werden erwartet. Das scheint für das touristisch völlig unterentwickelte Kleinstland viel zuviel: Es gibt kaum Hotels, und die wenigen sind viel zu teuer (ab 100 DM, bei kaltem Wasser). Die Eisenbahnen sind viel zu langsam und zumeist von den unzähligen Händlern aus Rußland, Weißrußland oder der Ukraine blockiert. Gut ausgebaute Straßen gibt es nicht, die einzige Autobahn hat bezeichnenderweise den Spitznamen „Fünf-Minuten-Amerika“. Realitätsfern gab die litauische Regierung auch noch den Ratschlag, möglichst einen Tag vor dem Papst anzureisen. Fast die gesamte Polizei des Landes soll das Chaos dann ordnen. An die polnischen Bischöfe erging dazu die Bitte, die Gläubigen aus Polen zum Daheimbleiben zu bewegen. Schließlich sei der Papst schon viermal in Polen gewesen.
Zu guter Letzt versucht auch noch das in Litauen weilende russische Militärkontingent die Litauer zu ärgern. Ursprünglich hätten die einstigen Okkupanten Ende August aus dem Land sein müssen, für den 28. August war schon ein Staatsakt geplant. Doch die Kommandeure der noch verbliebenen 2.500 Mann erklärten, daß sie es bis dahin nicht geschafft hätten. Der russische Außenminister meinte dazu in der International Herald Tribune, daß manche Länder schon wegen ein paar Dutzend Staatsbürgern Truppen entsandt hätten. Solange die russische Minderheit nicht ausreichend geschützt sei, wolle man Litauen nicht verlassen. Somit wird wohl nichts aus dem Plan, dem Papst ein ganz und gar freies Litauen zu präsentieren. Falk Madeja
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen