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Jörn Kabisch AngezapftEin Bier wie Sexam Morgen

Foto: privat

Neulich hatte ich wieder so ein Glas Rotwein vor mir, ein Sangiovese aus der Toskana. Nicht zu trocken, nicht zu sauer, kein zu aufdringlicher Abgang. Sehr trinkbar mit einer heutzutage oft zu findenden Vanille-Note – im Barrique ausgebaut, stand auf dem Etikett – und ausgeprägtem Brombeergeschmack. Es ließ sich nichts Schlechtes über diesen Wein sagen, leider aber auch wenig Gutes. Er war eben rund. Ein Getränk der Mitte, dachte ich mir, wie eine Volkspartei. Ich trank das Glas nicht aus.

Wenn es um Genuss geht, lehne ich die Mitte ab, ich mache mein Kreuzchen immer woanders. Und beim Bier erst recht, weil es hier sogar noch volksparteilicher zugeht als beim Wein. Viel öfter, als mir lieb ist, landet mir da versehentlich irgendeine Konsenssauce im Glas, vor allem bei Stoff, der „Erste“, „Alte“ oder „Ewige“ Liebe heißt – ein überraschend oft auftauchender Name auf Etiketten deutscher Biere.

Doch da entbrennt keine Liebe. Ich brauche Ecken und Kanten, und ein Bier, das alles andere als gefallsüchtig daherkommt, hat die besten Chancen, dass ich mich verknalle.

Wenn ein Bier also „Nix Amore“ heißt, dann darf man berechtigterweise vermuten, dass sich hier nichts aufdrängen will. Und dann kommt es auch noch aus der Thuisbrunner Elch-Brauerei, der ich ohnehin sehr zugeneigt bin; das Dunkle von Brauer Georg Kugler habe ich an dieser Stelle erst vor einigen Folgen besprochen. Es ist die reinste Bratensauce – alles andere als ein gefallsüchtiges Bier.

Auch das „Nix Amore“ hat mit Gefühlsduseligkeiten nichts am Hut, es setzt eher auf Sex. Es ist ein Bier für einen Abend und gleich so, dass es hinterher auch zwischenmenschlich aus sein könnte für jegliche „Amore“. So jedenfalls das Ansinnen des Brauers.

Nix amore. Elch-Bräu Thuisbrunn, 4,9 Vol.-%

Glücklicherweise liefert es auch ein paar Ecken und Kanten. Es ist auf der einen Seite ein typisches fränkisches Kellerbier, untergärig, äußerst trinkbar wie all die Biere aus dem Hause Elch und mit einem ausgeprägten Körper. Auf der anderen Seite habe ich Assoziationen im Kopf wie am Frühstückstisch. Das „Nix amore“ liegt mir wollig im Mund wie ein gutes Croissant, und unter der Hopfenwürze schmecke ich getrocknete Aprikose, Biskuit, Bitterorange und ein wenig Kandis. Der Alkohol versteckt sich auch kaum. Also eher Sex am Morgen.

Mich erinnert das aber vor allem an ein Bier, das ich in Italien getrunken hatte, ausgerechnet inmitten der Weinberge der Toskana. Es war ein genauso bernsteinglänzendes Bier, aber nach Art belgischer Ales und noch liköriger. Es ist mir sehr in Erinnerung geblieben. Nur sein Name nicht. Ein Bier wie ein One-Night-Stand. Aber einer von den guten.

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