piwik no script img

Jörn Kabisch Angezapft

Das Kölsch erinnert mich ein wenig an die SPD. Es ist ein Beispiel dafür, wie die inneren Werte mit der äußerlichen Traditionspflege nicht mehr mithalten.

Denn „Kölsch“ darf nach einem eigenen Reinheitsgebot nur heißen, was in Köln und Umgebung gebraut wird. Dort aber ist die Produktion inzwischen in der Hand einiger Großbrauereien und schmeckt zum Verwechseln ähnlich langweilig. Das Bier allein reicht nicht mehr zum Genuss. Es braucht den Köbes (der Kellner), der den Kranz (den Korb für 18 Gläser) mit den Stangen (die Gläser) bringt und allerlei Schnickschnack mehr. An dieser Kölsch-Folklore ist mir nur eines sympathisch: Sie setzt auf kleinste Gläser, aus denen jedes Bier besser schmeckt als aus Halbliterhumpen oder Maßkrügen.

Dabei bringt Kölsch als Braustil alles mit, um zu einem Bier von internationalem Format zu werden, gerade angesichts der aktuellen Biermoden. Vom Charakter her ist es ein helles obergäriges Bier, hopfenbetont und leicht fruchtig. Kölsch gäbe eine leichtere Va­rian­te des Pale Ale ab – dem Bierstil, der zum Erkennungsmerkmal der Craftbrauer geworden ist.

Weit weg von Köln hat man das Potenzial entdeckt: im Baskenland, dieser anarchischen Provinz im Norden Spa­niens. Für den dortigen Gaumen, der wegen der Temperaturen ohnehin leichte und mäßig alkoholische Biere bevorzugt, ist Kölsch genau das Richtige.

Das noch relativ junge Basque­land Brewing Project (BBP) sitzt in der kleinen Stadt Hernani, nur 10 Kilometer von San Sebastián entfernt, und ist eigentlich eine baskisch-kalifornische Kooperation. Braumeister ist Ben Gatz, leidenschaftlicher Surfer, der zuvor bei Stone Brewing in San Diego gebraut hat. Also: West Coast trifft North Coast. Neben typischen Craft-Stilen hat das BBP auch ein angenehm fruchtiges Kölsch im Sortiment.

Das Bier ist spritzig und ziemlich schlank, klar und senfgelb fließt es ins Glas und sprudelt wie Sekt. Die Kohlensäure macht sich auch in der Nase bemerkbar. Wenn sich der Schaum gelegt hat – das geschieht in Sekunden – kann man einen Hauch von süßen Früchten erahnen. Nimmt man den ersten Schluck, machen Pfirsich und Honig es erst leicht bonbonhaft, dann kommen würzige Blumennoten ins Spiel und leichter Jasmin. Ein Abgang ist nicht vorhanden.

Das baskische Kölsch ist wie eine Meeresbrise, die durch einen üppig blühenden Garten fährt. Perfekt als Aperitif mit Pinchos, den kunstvollen baskischen Tapas am Spieß.

Capt. Norb Kölsch,Basqueland Brewing Project, Alkohol 4,9 % vol.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen