■ Jimmy Carters blamable Friedensmission in Pale: Weder Zuckerbrot noch Peitsche
Warum hat Bill Clinton seinem Vorgänger Jimmy Carter nicht nur keinen offiziellen Vermittler-Auftrag für Bosnien erteilt, sondern diesem nicht auch dringend davon abgeraten, als „Privatmann“ nach Pale zu reisen? Entsprang dies wirklich nur der Verzweiflung des US-Präsidenten über die eigene, völlig verfahrene Bosnien-Politik? Etwa mit Hilfe des Kalküls, wenn Carter etwas erreicht, färbt das auch positiv auf die Regierung in Washington ab; wenn er scheitert, hat die Regierung nichts mit seiner Privatreise zu tun? Fast kann man den Eindruck gewinnen, die Administration in Washington habe Carter bewußt ins Messer laufen lassen. Mögliches Motiv: die anhaltende Verärgerung über Carters Verhalten während seiner Vermittlungsmissionen in Nordkorea und Haiti. Auch deren Ergebnisse sind in Washington zu Recht nach wie vor zumindest umstritten.
Mit seiner Bosnien-Reise hat sich Carter nun allerdings auch als „privater“ Vermittler völlig desavouiert. Bereits kurz nachdem er die in neunstündigen Verhandlungen mit Karadžić erzielten „Vereinbarungen“ bekanntgegeben hatte, stellte der Serbenführer diese per CNN wieder in Frage. Spätestens dies hätte Carter zur sofortigen Abreise veranlassen sollen. Doch schon Fernsehbilder von der vereinnehmenden Begrüßung Carters durch Karaždić vor dessen Hauptquartier in den Paler Bergen, mit Ehefrauen, kleinen Mädchen, die Blumensträuße überreichen etc. – all dies erinnerte schon allein optisch fatal an gewisse Szenen in Hitlers Alpenfestung. Über Carters Feststellung – noch vor Beginn seiner Unterredung mit Karadžić –, das amerikanische Volk sei bisher über den Bosnien-Konflikt nur einseitig und zuungunsten der Serben informiert worden, kann nur den Kopf schütteln, wer regelmäßig die US-Presse liest oder CNN sieht.
Doch selbst wenn Carter sich vor Ort nicht derartige Blößen gegeben hätte: anders als bei seinen halboffiziellen Missionen in Nordkorea und Haiti war sein Scheitern in Bosnien vorprogrammiert. Nordkorea konnte Carter nur zur Aufgabe des militärischen Atomprogramms bewegen, weil die Clinton-Administration zur Lieferung von modernen Reaktoren für ein ziviles Nuklearprogramm und zur Normalisierung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen bereit war. Und Haitis Machthaber Cédras ließ sich von Carter nur zum Gehen überreden, weil amerikanische Eingreiftruppen bereitstanden und weil ihm das Exil in Panama vergoldet wurde. Gegenüber Karadžić hatte Carter aber weder Zuckerbrot noch Peitsche zur Verfügung. Andreas Zumach, Genf
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