■ Jetzt ist russischer Druck auf Radovan Karadžić notwendig: Ein Augenblick der Hoffnung
Nach zwei Jahren ergebnisloser Vermittlungsbemühungen von EU und UNO ist die maßgeblich von der Clinton-Administration herbeigeführte Grundsatzvereinbarung zwischen bosnischer Regierung und bosnischen Kroaten tatsächlich ein „Moment der Hoffnung“ (US-Außenminister Christopher) auf ein Ende des Krieges. Daß das „Washingtoner Modell“ auf die endgültige West-Ost-Teilung Ex-Jugoslawiens hinausläuft und eine neue kulturell-religiös-politische Scheidelinie in Europa befördern hilft, ist derzeit verständlicherweise nicht die Sorge der geschundenen bosnischen Zivilbevölkerung. Das „Moment der Hoffnung“ kann sich in den nächsten Wochen verdichten zu einer tragfähigen politischen Lösung des Bosnienkonflikts – oder es kann wieder verfliegen.
Zunächst einmal gibt es noch einige, aus der Washingtoner Grundsatzvereinbarung ausgesparte, knifflige Detailfragen, über die beide Seiten ab Freitag in Wien weiterverhandeln wollen. Diese Verhandlungen aber sind bedroht, wenn der äußerst fragile Waffenstillstand zwischen der überwiegend muslimischen Regierungsarmee Bosniens und den kroatischen Milizen in Zentralbosnien und der Region Mostar zusammenbricht.
Doch entscheidend für Scheitern oder Gelingen des jetzt in Washington vereinbarten Modells ist die Kooperation der Serben. Zum einen muß Belgrad seine Unterstützung für die serbischen Truppen aufgeben, die derzeit noch rund ein Drittel Kroatiens besetzt halten. Denn dessen Präsident Tudjman macht seine endgültige Zustimmung zu dem Washingtoner Föderations-/Konföderationsplan abhängig von der Wiederherstellung der vollen Souveränität der Zagreber Regierung über Kroatien in seinen international anerkannten Grenzen. Zum zweiten müssen die bosnischen Serben sich mit maximal 49 Prozent der derzeitigen Staatsfläche Bosnien-Herzegowinas begnügen und ihre Ansprüche auf Teile Sarajevos sowie auf die muslimischen Enklaven in Ostbosnien aufgeben.
Die bisherigen Reaktionen aus Belgrad und Pale, dem Hauptquartier der bosnischen Serben, auf die Vereinbarung von Washington lassen wenig Gutes ahnen. Territorialkonzessionen der Serben wird es ohne massiven Druck Rußlands nicht geben. Taktische Manöver der russischen Regierung, mit denen es Karadžić beim Rückzug der serbischen Waffen aus Sarajevo und bei der am Dienstag von ihm zugesagten Öffnung des Flughafens Tuzla ermöglicht wurde, das Gesicht zu wahren, reichen nicht aus. Bislang gibt es zumindest öffentlich keine Anzeichen für den notwendigen Druck Moskaus. Sollte das im Washingtoner Abkommen vorgesehene Modell schließlich aus diesem Grunde scheitern, wäre eine schwere Belastung des Verhältnisses zwischen den USA und Rußland die Konsequenz. Denn nach monatelangem Desinteresse am Bosnienkonflikt, den sie allzu lange als Problem der Europäer definierte, hat sich die Clinton-Administration wegen des Versagens der EU seit Anfang dieses Jahres voll in die Vermittlungsbemühungen eingeschaltet und erhebliches politisches Kapital investiert. Mehr als je zuvor seit Beginn der Kriege in Ex-Jugowlawien im Sommer 1991 steht jetzt auch das Prestige des amerikanischen Präsidenten auf dem Spiel. Andreas Zumach, Genf
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