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Einen guten Deutschen erkennt man daran, daß er tut, was man ihm sagt, und ordentlich und anständig seine Pflicht erfüllt – und vor allem daran, daß er später, wenn seine Befehlshaber ihrer Macht verlustig gegangen sind, eigentlich schon immer ihr Gegner gewesen und sogar ein heimlicher Widerstandskämpfer gewesen ist. In diesem Sinne ist Gisela Oechelhaeuser eine ganz besonders gute Deutsche. In der Osterausgabe der taz plauderte die Intendantin des Ostberliner Kabaretts mit dem sinnfälligen Namen „Die Distel“ aus dem Nähkästchen einer kritischen Opportunistin.

Dabei assistierte ihr als Stichwortgeberin Sabine Zurmühl, deren Interviewtechnik den Tatbestand der Verschwisterung erfüllt. „Wie kamen Sie als christliche Sozialistin und ordentliche Pfarrerstochter durch die DDR?“ fragt Zurmühl; mit dem Auto oder mit dem Zug, könnte Oechelhaeuser antworten, aber das tut sie natürlich nicht – schließlich hat sie etwas zu bekennen: „Ich habe meinen Sohn Sebastian damals noch taufen lassen. Das fand ich kulturell wichtig. Dann bin ich – ohne äußeren Druck – aus der Kirche ausgetreten. Ich frage mich heute natürlich, warum habe ich nicht Kontakte zu Leuten wie Schorlemmer gesucht, die kraft ihres Glaubens so Vernünftiges gelebt haben, einen Sozialismus, nach meinem Verständnis viel, viel stärker als große Teile der SED.“

Die Frage kann beantwortet werden: Weil staatstragendes Kabarett machen und Kritik üben, weil Schleimen und Dagegensein eben nicht zusammengehen, auch wenn man's noch so sehr möchte als christliche Versöhnungsboje – wozu der Wunsch nach inniglichem Plausch, nach „Kontakt“ mit Friedrich Schorlemmer wiederum ganz wunderbar paßt. Schorlemmer! Der eitle Pastor, der sein Leben lang auf die Gelegenheit wartete, den neuen Luther von Wittenberg zu geben – und dem das auch gelang, mit „Schwerter zu Pflugscharen“-Buden und Mein- Bac-dein-Bac-Lyrik wie dieser: „Meine Angst ist deine Angst. Eure Angst ist unsere Angst. Der Angstfriede ist am Ende.“ Dafür, daß Oechelhaeuser diesen Konfirmandenschmus „vernünftig“ findet und für „Sozialismus“ hält, darf man sie aber nicht dumm wie das Brot nennen, denn das wäre brotverachtend.

Zumal die hölzerne Kabarettistin des protestantischen Nußknackers Schorlemmer nicht unbedingt bedarf. Christuskitsch kann sie auch ganz alleine: „Wenn Sie an Ostern denken, die Geschichte dieses Verrates; der Tilman Riemenschneider hat das in Rothenburg an einem Altar gezeigt – eine wirkliche Menschheitserfahrung. Da ist also der Palmsonntag gestaltet: Die Leute rufen und winken, und es quillt und quillt, das kleine Tor will die begeisterte Masse nicht fassen. Und im rechten Altarflügel dann der Garten Gethsemane, Jesus allein – Herr, warum muß ich das alles aushalten –, und dieselben Leute gucken über das Tor und über die Mauer, wie er sich wohl verhält, ob er noch der große Held ist. Also so was von Kälte, ich denke, so ist es am Ende dem Che Guevara in Bolivien gegangen...“

Abgesehen vom WG-Jargon, in dem die Gisela über die Gabi und über den Jürgen und über den Che pladdert: Das Christus-Guevara- Heiligenbildchen hat vor Gisela Oechelhaeuser schon ein anderer Kleinkünstler gepinselt – Wolf Biermann, Mitte der 70er Jahre in seiner Version des Che-Guevara- Liedes: „Den roten Stern an der Jacke / Im schwarzen Bart die Zigarre / Jesus Christus mit der Knarre / So führt dein Bild uns zur Attacke.“ Bzw. in den Hafen der CSU, bei der Biermann gut 20 Jahre später andockte und sich dafür im Spiegel selbstlobte. Nein, das ist schon eine prächtige Allianz aus Prahlerei, Gefallsucht, Ostigkeit, Widerstands-Simulanz und Jesus-Geöchel, die im Trio Biermann, Oechelhaeuser und Schorlemmer zu Fleisch geworden ist, da kann man sich nicht beschweren, alles komplett da, alles tiptop, vielen Dank, merci Wiglaf Droste

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