Jenni Zylka Die Couchreporter: US-Serien wie „This is us“ zeigen, was an deutschen Sets alles schiefläuft
Geschichten müssen interessant beginnen. Etwa so: Kate und Kevin sind Zwillinge, eigentlich waren sie Drillinge, aber das dritte Kind starb bei der Geburt. Ihre Eltern adoptierten daraufhin Randall, der eine andere Hautfarbe hat, aber am gleichen Tag geboren und genau an diesem Tag vor einer Feuerwehrwache aufgefunden wurde.
36 Jahre später ist Kate extrem übergewichtig, Kevin hat eine unbefriedigende Rolle als „Man-ny“, männliche Nanny in einer dürftigen Sitcom gleichen Namens, und Randall hat soeben seinen leiblichen Vater wiedergefunden, der den Sohn damals aussetzte.
Und als ob das alles nicht schon dramatisch genug wäre, wird in der Serie „This is us“, die bereits bei Pro7 lief, aber jetzt im Original auf Amazon abrufbar ist, auch noch zwischen den Zeitebenen hin- und hergeschaltet: Neben den Leben der Drillinge erfährt man von der Entscheidung der Eltern vor 36 Jahren, ein weiteres Kind zu adoptieren, um das dritte Babykörbchen nicht leer zu lassen. Alles in einer einzigen Folge. Mannomann.
„This is us“ macht das alles tadellos, hingebungsvolle SchauspielerInnen gehen in ihren Rollen auf, das Publikum apnoetaucht durch emotionale Wechselbäder, und weil US-SerienmacherInnen Hardcore-Profis sind und wir ihnen gern alles glauben, wirkt die gesamte Show auch noch authentisch.
Wenn einem dagegen ein ähnlicher Plot bei einer der vielen deutschen Daily Soaps begegnet, die von den MacherInnnen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens hoffnungsvoll zwischen die Nachrichtensendungen ihres Vormittagsprogramms geklemmt werden, winkt man sofort empört ab: Drillinge, einer stirbt, und ein anderer wird adoptiert? No way! Übergewichtige Schwester und Schauspieler-Bruder? Ist viel zu viel! Und dann auch noch der leibliche Vater – das muss man erst einmal spielen können. Die schlecht bezahlten DarstellerInnen, die sich teilweise in einem Take an diese ganzen Themen heranwagen müssen, sind oft überfordert. Heraus kommen jene hölzernen Dramen mit unglaubwürdigen Konflikten und auf dem Reißbrett getakteten Szenen.
Neben dem Budget, das bei den am Fließband in einem einzigen Studio heruntergedrehten Daily Soaps extrem von den Produktionskosten einer Qualitätsserie abweicht, ist die Spielqualität der größte Unterschied, größer noch als die Plausibilität der ungewöhnlichen, teilweise abstrusen Storys: Man kann solche Dinger nur spielen, wenn man sie selbst glaubt. Interessanterweise wird auch das in „This is us“ thematisiert – Kevin flippt irgendwann am Set seiner Sitcom aus, weil sie ihm zu dumm ist.
Der Serienerfinder Dan Kogelman, zu dessen Arbeiten auch die Drehbücher für „Crazy, Stupid, Love“ und mehrere Teile der Pixar-Produktion „Cars“ gehören, hat es damit geschafft, sogar eine subtile Serie-in-Serien-Kritik zu integrieren. Schade, dass den „Rote Rosen“-, „Sturm der Liebe“- und „In aller Freundschaft“-Teams im vorhandenen Fernsehsystem sowohl das Geld als auch die Zeit verweigert wird, um solche Kapriolen und solche Qualität zu erschaffen. Denn wollen wollten sie bestimmt.
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