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Jenni Zylka Cultural AppreciationStars mit Falten gegen Deepfakes

Foto: privat

Seit kurzem steht ein muskulöser älterer Herr in einem mit heroischer Musik unterlegten Werbespot für eine Heimwerkermarke und feuert die Menschen um sich herum an: „Du packst das!“ Spätestens wenn er mit der Kettensäge eine Bodybuilder-Gartenskulptur aus einem Holzklotz schnitzt, und im Brustton der Überzeugung sagt: „Meine Muskeln verjagen die Vögel!“, hat man Arnold Schwarzenegger erkannt. Es ist nicht das erste Mal, dass der Terminator zum Testimonial wurde. Und die Idee, mit Prominenten für Produkte zu werben, ist eh uralt: Ab dem Jahr 1890 druckte man Otto von Bismarck samt Walrossbart auf Tabakdosen, Marlene Dietrich und Hildegard Knef warben in den 50er Jahren für Lux-Seife, Bastian Schweinsteiger wirbt für alles.

So ein Werbevertrag ist lukrativ für sämtliche Beteiligten, und das „Marken-Fit“, die Frage nach dem Zusammenpassen von Prominentem und Produkt elementar. Was Schweinsteigers Mainstreamtauglichkeit unterstreicht: Der passt anscheinend zu allem. Er ist das Essig-und-Öl-Dressing der Salatsaucen.

Anders als Tom Hanks. Dass der Hollywoodstar nicht mit einem Finanzplan für eine zahnmedizinische Behandlung in Verbindung gebracht werden möchte, schon gar nicht, wenn er daran nichts verdient, kann man verstehen: Die Assoziation mit den Dritten möchte er vermutlich noch ein wenig aufschieben. Auch die Moderatorin der CBS-Morgenshow und enge Oprah-Winfrey-Freundin Gayle King will nicht für Abnehmtabletten werben, wofür sie weder einen Vertrag hat noch eine Verwendung erkennt: Sie sei andauernd über merkwürdige Pillen ausgefragt worden, die sie noch nie geschluckt hat, sagte sie entzürnt in einem Interview.

Selbstverständlich sind es Deepfakes, derentwegen Hanks und King momentan Alarm schlagen – durch künstliche Intelligenz generierte Computerbilder und -videos, vor deren unsachgemäßer und illegaler Verwendung die Schauspieler:innen-Gewerkschaft SAG-Aftra warnt und wegen der sie weiterstreikt, nachdem die Kol­le­g:in­nen aus der Drehbuchsektion sich einigen konnten. Weiterdiskutiert wird allerdings trotzdem momentan. Denn ein Teil der Kri­ti­ke­r:in­nen überlegen jetzt, ob neue Nutzungen von KI gerade Dreh­buch­au­to­r:in­nen nicht auch befähigen könnten, das in Teilen monopolisierte Hollywoodsystem auszuhebeln und ihre Inhalte ohne einen „Vermittler“ auf den Markt zu schicken, also einfach selbstständiger zu werden, zum Beispiel, wenn sie Exposés und Trailer herstellen wollen. Aber gerecht wäre das erst dann, wenn die technischen Voraussetzungen die gleichen für alle Menschen wären – also nie.

Jenni Zylka, freie Autorin, lebt in Berlin.

Und man kann sich darüber hinaus schon vorstellen, dass fiese KI-Missbraucher:innen längst neue Ideen für Marken-Mis-Fits ausbrüten und händereibend programmieren: Greta Thunberg als Testimonial für Nestlé. Ulrich Wickert für den Ballermann. Emma Watson für die Blitz-Illu. Sheila Heti für Femibion-Folsäure-Tabletten. Besonders Schwarzenegger müsste Angst haben, plötzlich in Spots für Treppenlifte aufzutauchen: Sein digitaler, verjüngter Doppelgänger wurde schließlich bereits mehrmals in Filmen eingesetzt. Und die vielfach bewiesene Cyborgqualität seines Gesichts macht es garantiert nicht schwerer.

Die Idee, mit Prominenten für Produkte zu werben, ist eh uralt

Momentan sind die KI-Versionen der menschlichen Antlitze allerdings meist noch so schlecht, dass man zur Fake-Prophylaxe einfach nur weniger Falten-Prophylaxe betreiben müsste: Jedes Jahr, das man auf dem Buckel hat, hilft. Denn je mehr Falten, Unregelmäßigkeiten und Altersflecken, desto unnatürlicher wirkt die glatte KI-Version. Und so schnell, wie das mit dem Altern voranschreitet, kann niemand hinterherprogrammieren. Weswegen Gayle Kings Abnehmtabletten-Spot viel schwerer als Fälschung zu identifizieren ist als der von Tom Hanks: King sieht ihrer glattgebügelten Digital-Zwillingsschwester tatsächlich ein wenig ähnlich.

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