: Jelzin schafft sich eine neue Armee
■ Präsident gründet russisches Verteidigungsministerium und hebt sich selbst in den Chefsessel
Moskau (dpa) — Der russische Präsident Boris Jelzin hat gestern per Erlaß die Gründung einer russischen Armee und die Schaffung eines „Verteidigungsministeriums der Russischen Föderation“ angeordnet. Der stellvertretende russische Ministerpräsident Sergej Schachrai kündigte in Moskau an, die russischen Streitkräfte sollten Teil der Truppen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) sein und dem GUS- Oberkommando unterstellt werden. Eigentlich, so Schachrai, sei aber keine russische Streitmacht geschaffen worden, „obwohl sie de facto existiert“. In seinem Gründungsdekret hatte sich Jelzin vorübergehend selbst an die Spitze des Verteidigungsministeriums gestellt.
Seine neue Aufgabe der Verordnung zufolge ist es jetzt, Vorschläge zur Zukunft der russischen Streitkräfte zu unterbreiten. Der russischen Regierung bleibe es allerdings vorbehalten, „Abordnungen zu Gesprächen mit den Staaten der GUS über den Status der auf ihrem Gebiet stationierten Streitkräfte zu entsenden“. In dem Dekret heißt es weiter, bis eigene russische Militärgesetze verabschiedet sind, seien die sowjetischen Militärgesetze weiter gültig.
Nach Schachrais Worten ist in dem Dekret des Präsidenten „die Konzeption eines zivilen Ministeriums“ festgelegt. In der russischen Führung war es in den vergangenen Tagen zu Meinungsverschiedenheiten gekommen, ob die Leitung des Ministeriums einem Zivilisten oder einem Offizier anvertraut werden solle. Militärexperten hatten sich im Februar dafür ausgesprochen, gleichzeitig ein zivil geleitetes Verteidigungsministerium und ein „Institut“ unter Leitung des Oberkommandierenden der russischen Streitkräfte zu gründen. Dieses sollte mit den rein militärischen Fragen betraut werden.
Rußland hatte zunächst entschieden, keine eigenen Streitkräfte zu gründen. Nachdem es den Mitgliedern der GUS bei ihrem Gipfel im Februar in Minsk nicht gelungen war, sich auf die Strukturen einer gemeinsamen Armee zu einigen, hatte sich in der russischen Führung ein Stimmungswandel angekündigt. Oberst Anatoli Wolkow hatte im Februar gesagt, die künftige russische Militärdoktrin müsse drei Ziele verfolgen: Sie solle sich an das internationale Sicherheitssystem anpassen, die Anforderungen einer GUS-Verteidigungsdoktrin erfüllen und den Interessen der GUS dienen.
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