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Jelzin rettet seine liebsten Minister

■ Reformer dürfen im Kabinett bleiben

Moskau (AP) – Der Streit um die Zusammensetzung der neuen russischen Regierung, der Präsident Boris Jelzin am Samstag zum überstürzten Abbruch seines China-Besuchs veranlaßt hatte, ist am Sonntag offenbar beigelegt worden. Wie russische Nachrichtenagenturen berichteten, verständigten sich Jelzin und der neue Ministerpräsident Viktor Tschernomyrdin darauf, bei den wichtigsten Ressorts keine Änderungen vorzunehmen. Jelzins Sprecher Wjatscheslaw Kostikow sagte, auch die neue Regierung bleibe der vom bisherigen Regierungschef Jegor Gaidar eingeleiteten Reformpolitik verpflichtet.

Jelzin hatte am Samstag seinen ersten Staatsbesuch in China vorzeitig beendet, nachdem ihn Berichte über Bemühungen von Reformgegnern erreicht hatten, nach Gaidar auch dessen Vertrauensleute aus der Regierung zu entfernen. Tschernomyrdin, der am Samstag zu einem offiziellen Besuch in Kasachstan weilte, bemühte sich vor Jelzins Rückkehr, nicht den Eindruck einer Konfrontation zwischen Jelzin und ihm aufkommen zu lassen. „Ich würde gerne den Kern des Gaidar-Teams seine Arbeit in der russischen Regierung fortsetzen sehen“, sagte er auf dem Rückflug von Alma-Ata. Doch machte er auch deutlich, er denke nicht daran, Gaidars radikal marktwirtschaftliches Reformwerk unverändert fortzusetzen. „Ich bin für Reformen, aber für die, die zu bestimmten Ergebnissen führen“, sagte er. Parlamentspräsident Ruslan Chasbulatow, der in der Krise um die Bestätigung Gaidars erfolgreich die Reformgegner führte, rief unterdessen zur Unterstützung Tschernomyrdins auf. Er sprach sich für Gespräche am runden Tisch zur Überwindung der Wirtschaftskrise aus.

Der von den Reformgegnern angegriffene Außenminister Andrej Kosyrew wiederholte am Sonntag seine Warnungen vor einer drohenden Wende in der russischen Außenpolitik. Rußland sei dabei, sich wie eine „belagerte Festung“ zu verhalten.

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