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Jasmin RamadanEinfach gesagtAngestellt und aufgebahrt

Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr letzter Roman „Hotel Jasmin“ ist im Tropen/Klett-Cotta-Verlag erschienen. 2020 war sie für den Bachmann-Preis nominiert. In der taz verdichtet sie im Zwei-­Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.

Gibt’s hier was umsonst?!“, scherzt ein Mann, der sich hinten in der langen Supermarktschlange anstellt.

„Im Gegenteil, Paprika 7,99 das Kilo!“, ruft jemand.

„Sogar die grünen!“, sagt eine Frau.

„Nur eine Kasse wegen Personalmangel!“

„Lang lebe Covid!“

„Long-Covid-Schlange, ich sach’s euch!“

Eine Frau stellt sich an und sagt:

„Man könnt’ meinen, da vorn liegt ’ne Königin!“

„Man könnte sich ein paar kluge Gedanken zum Zustand der Welt machen, solang’man ansteht!“, sagt eine ältere Dame und ihr Mann sagt:

„Ach komm, Dagmar, dann wär’ halb England jetzt klüger!“

„Die Elisabeth hat nie angestanden, aber für die haben alle angestanden!“

„Ein einzelner toter Mensch und so ein Trara!“

„Und fraglich, was für ein Mensch, dessen Leiche da nun pompös umtüddelt wurde!“

„Mama, warum war die Königin mehr wert als andere Menschen?“

„Das war sie nicht, Olivia!“

„Aber warum sind wegen der so viele traurig und wegen anderen niemand?“

„Wer sagt, dass wegen anderen niemand traurig ist!?“

„Papa hat heut morgen vorgelesen, dass ein junger Mann in seiner Wohnung tot war für fast ein Jahr und keiner hat das gemerkt, und wenn das keiner merkt, kann ja auch keiner traurig sein!“

„Papa soll dir so was doch nicht mehr aus dem Internet vorlesen!“ Sie zieht ihr Telefon aus der Tasche und schickt ihrem Mann eine wütende Sprachnachricht.

Dagmar wendet sich Olivia zu: „Jetzt sind wir traurig für diesen einsamen Mann, Olivia!“

„Aber vielleicht war er ein Nazi!“, ruft eine junge Frau.

„Oder ein Tierquäler!“, ruft jemand von vorn.

„Die Queen hat in Indien zum Spaß Tiger erschossen, so viel ist sicher!“

„Und hat sich nie von irgendeinem kolonialen Verbrechen distanziert!“

Olivia sagt: „Mein Papa sagt, in der Ukraine sind ganz viele tot, die gar kein Grab kriegen, und in Pakistan auch, obwohl die alle Identitäten hatten, die man auf Grabsteine schreiben könnte.“

„Die, die sie geliebt haben, werden sich an sie erinnern, Olivia!“, sagt die Mutter und streicht ihr über den Kopf.

„Die, die sie geliebt haben, sind vermutlich traumatisiert, und das Verscheiden der Queen ist ein Pudding-Tod dagegen!“

„Die war 96, hatte per Zufall ein Top-Life voll Winken und Lächeln ohne harte Arbeit, wohnhaft in Palästen, wurde grundlos angebetet, finanzielle Sorgen unbekannt, gesunde Kinder, glückliche Ehe! Was zur Hölle ist daran traurig?!“

„Alles im sozialen Verhältnis!“, sagt Dagmar.

Eine andere sagt: „Jetzt lasst doch den Leuten ihre Freude an der Monarchie, heutzutage braucht man symbolisch was, das bleibt, wo doch alles zerbricht und es ständig beängstigende Nachrichten gibt, irgendwas, an dem man sich festhalten kann!“

„Wie wäre es mit stabil niedrigen Preisen für Paprika zum Dranfesthalten!!? Da hätt’ ich was von, im Gegensatz zur bombastisch wohlsituierten Lebenssituation von irgend so ’nem Charles!“

„Was hat diese asoziale Beerdigung wohl gekostet?“

„Drei Millionen Paprikas mindestens!“

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