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Jasmin Ramadan Einfach gesagtRadikal nach Plan

Die Chinesen hätten das längst fertig gebaut!“, sagt ein älterer Herr, die Arme auf dem Rücken verschränkt, an der Bushaltestelle Sternbrücke.

„Wie kommen Sie zu der Annahme?“, fragt eine Frau und zieht am Vaporizer.

„Der Chinese weiß noch, wie es geht, der hat Arbeitsmoral, Leistungsstolz, dem liegen die Überstunden im Blut.“

„Wieso eigentlich derChinese?“, fragt ein Typ und nimmt die Stöpsel aus den Ohren.

Der Herr sagt: „Die wissen da noch um die Ordnung der Geschlechter, das Volk braucht Stärke und die geht vom Mann aus, akzeptiert man die Natur, floriert die Wirtschaft.“

„Ha ha ha!“, lacht die Frau, der junge Typ sagt: „Witzig ist das nicht.“

Der Herr legt nach: „Ich meine das in der Tat mit vollem Ernst! Kommt ja langsam auch in good old Germany an, dass das Neue uns nicht ins Nirvana, sondern ins Nirgendwo geführt hat!“

„Was genau meinen Sie denn mit: das Neue?“

„Dass man sich nach der Arbeit ausbalancieren müsse, dass Frauen überall mitmischen, Weltenmacht statt Töpferkurs, schönen Dank auch an das Merkel! Kinderlose Machteule. Und überhaupt, Frauen saufen unverblümt wie Männer, und jeder hüpft mit jedem in die Kiste, als gäbe es kein Morgen!“

Sein Gesicht wird purpurfarben, schwillt stark an, der Schweiß tropft ihm von der Nase.

Der junge Typ sagt: „Glaub’, sie sollten mal mit jemand Professionellem reden oder sich zumindest Betablocker verschreiben lassen.“

„Soll ich sie mal in den Arm nehmen?“, fragt die Frau.

„Das hat der nun echt nicht verdient“, sagt eine jüngere Frau.

„Offensichtlich hat er es bitter nötig.“

Der Mann brüllt: „Ich hab gar nichts nötig, schon gar nicht von Frauen und der Gnade ihrer Körper! Frauen sollen das Volk vermehren, damit es genug Arbeiter gibt, und die Baustellen nicht immer alles blockieren, sonst geht’s den Bach runter, und zwar steil!“

„Schon klar, wo sie im Februar ihr Kreuz machen!“

„Nix is’klar, ich hab da nix entschieden, ich bin auch für Migranten, die haben ja im Gegensatz zum deutschen Mann oft die richtige Einstellung, und nirgends wird so hart gearbeitet wie in der Türkei, nirgends werden so viele Überstunden gemacht, der Türke ist mir der liebste aller Männer!“

„Es geht ihnen also um das Stadtbild, die Infra­struktur und die Stärke des Mannes?“

„Genau! Der Mensch braucht den Mann, um nicht durcheinander zu kommen.“

„Sie wirken aber ziemlich durcheinander.“

Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. 2023 ist ihr Roman „Auf Wiedersehen“ bei Weissbooks erschienen. 2020 war sie für den Bachmann-Preis nominiert.In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.

„Ich steh’hier ja auch ständig rum, der Bus hält sich nicht an den Plan und dann muss ich mir ewig angucken, dass die Bauarbeiten nicht vorankommen! Da komm ich schon mal radikal ins Denken!“

„Sie meinen also, dass es im Oberstübchen einiger Menschen weniger rüde zugehen würde, wenn es effektivere Baustellen gäbe?“

„Die Busse immer pünktlich kämen?!“

Die Frau sagt: „’ne Freundin von mir kam drauf, ihren Mann zu verlassen wegen Schienenersatzverkehr.“

Eine ältere Dame sagt: „Alles ist doch zu guter Letzt eine Bau- oder Bushaltestelle.“

„Inwiefern?“

„Na, man wird geboren, muss Probleme bewerkstelligen und dann kommt irgendwann der letzte Bus.“

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