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Jasmin Ramadan Einfach gesagtDie Welt ist rund

Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr letzter Roman „Hotel Jasmin“ ist im Tropen/Klett-Cotta-Verlag erschienen. 2020 war sie für den Bachmann-Preis nominiert. In der taz verdichtet sie im Zwei-­Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.

Sagt mal, Jungs, meint ihr, es ist okay, die WM zu gucken?“, fragt der Kollege die anderen Gerüstbauer in der Männerrunde mittags vorm Döner-Imbiss.

„Kann man gucken, aber ohne reines Gewissen, würd’ich mal so sagen!“

„Ich guck nur die Spiele mit deutscher Beteiligung, man muss die Jungs unterstützen, die können ja nu’nix dafür!“

„Für 15.000 tote Kollegen vom Bau meinste?!“

„Thomas hat recht, Menschen kann man nicht untern Teppich kehren!“

„Tote Menschen.“

„Vielleicht könnten alle in Schwarz spielen?“

„Oder zu Beginn auf die Knie fallen?“

„In Schwarz oder bunt, man muss die Mannschaft unterstützen und hat ja auch sein Gutes!“

„Was denn?“

„Na, die ABCD-Gemeinde kann da vor Ort ’n Weilchen besser ihre Anliegen bewerben.“

„ABCD?“

„Na, hier die schwulen Mädchen und so weiter, kann mir das nie merken, wie das in Buchstaben genau heißt!“

„LGBT, Andi, so heißt das, ist jetzt nicht so schwer!“

„Und du meinst echt, die LGBTs haben was von der WM?“

„Na, währenddessen könnten sie Aktionen machen, was weiß ich schon?!“

„Und Frauen werden bei Frauenverstößen auch nicht gleich festgenommen, weil ja die ganze Welt da hinguckt!“

„Die Welt, pah, die dreht sich doch nu’überall rund um die Uhr nur um sich und ihre Interessen!“

„Euch interessiert doch sonst auch nicht, welches Kind euer iPhone hungernd zusammengebastelt hat!“

„Sollte uns aber interessieren, Joel hat recht!“

„Seit wann interessierst du dich für Unterdrückung?“

„Ich bin immer schon für Gerechtigkeit, wir reden nur nie über so was, und ich hab auch nix gegen Leute, die wegen dem kaputten Wetter Kartoffelmus auf überteuerte Bilder werfen!“

„Ich finde sowieso, das ist ein Skandal, dass es Bilder für Millionen gibt und unsere Kollegen in der Wüste kriegen ’nen Euro die Woche fürs Sterben!“

„Der Emir hat bestimmt ’n Picasso in seinem Palast hängen!“

„Jaha, und den guckt er sich genüsslich zusammen mit Putin an!“

„Russland is’doch aus der WM rausgekickt!“

„Aber der Emir hat sich neulich mit Putin getroffen und das Treffen radikal abgefeiert, sag ich mal, stand sogar bei NTV!“

„Und russische Fußballfans kriegen trotzdem ’nen abgeschirmten Spezialbereich, vielleicht so wie am Flughafen die Raucherkabinen!“

„Warum das denn?“

„Weil der Emir und Putin das so wollen!“

„Und das juckt wieder niemanden!“

„Vielleicht sollte man beim Public Viewing Kartoffelbrei auf die Leinwand werfen!“

„Oder Rote-Bete-Püree, das sieht dann aus wie Blut!“

„Wer kocht denn so was?“

„Vielleicht sollte man beim Public Viewing Kartoffelbrei auf die Leinwand werfen!“

„Meine Frau, damit ich entsäuere!“

Der Wirt kommt raus und ruft: „Niemand soll Essen schmeißen, dafür gibt es keinen guten Grund!“

„Mensch, Metin, sach mal, findest du, man darf die WM in Katar gucken?“

„Jetzt quäl Metin nicht, Thomas, die Türkei ist nicht qualifiziert!“

Metin sagt: „Kann ich nicht für Deutschland sein?!“

Alle rufen: „Doch, doch, natürlich, sorry ­Metin!!!“

Metin sagt: „Ich bin aber für Kanada!“

„Wieso jetzt Kanada?“

„Weil ich über Kanada am wenigsten weiß!“

„Manchmal ist es das Beste, einfach nix zu wissen.“

„Dann lässt es sich noch jubeln!“

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