Jasmin Ramadan Einfach gesagt: Bei Luigi nix Neues
Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr letzter Roman „Hotel Jasmin“ ist im Tropen/Klett-Cotta-Verlag erschienen. 2020 war sie für den Bachmann-Preis nominiert. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.
Ich ziehe nicht in den Krieg, wozu hab ich denn studiert?!“, sagt ein Mann beim Italiener in der Männerrunde auf der sanft belichteten Restaurantterrasse.
„Dein Studium interessiert kein Schwein da oben, wenn der Fall der Fälle eintritt!“
„Im Verteidigungsfall werden sie uns alle einkassieren, da reicht ein Scheißtag beim Bund damals, und schwups heißt du Reservist, dann ist Pillepalle, ob du drei Doktortitel hast oder bei Edeka Regale einräumst, dann sind wir alle nur noch ein Mann!“
„Ein toter Mann, früher oder später!“
„Luigi, noch ’ne Runde Grappa, wir müssen das süße Leben feiern so lange es noch geht!“
„Ach Jungs, jetzt kommt mal runter, ist doch abstrakt, ich sehe mich nicht an der Kriegs-Front abkacken, eher an der Ernährungsfront, da rafft mich mein Bauch dahin, mein Arzt hat jüngst gesagt, dass ich das noch mit Sport wieder ausbügeln könnte, dass genau jetzt der Zeitpunkt wäre!“
„Seit der Krieg in naher Luftlinie lauert, geh ich wieder trainieren wie in meinen Zwanzigern, wie soll ich mich verteidigen, wenn ich ohne Aufzug nicht in mein Loft komme ohne aus der Puste zu geraten!?“
„Plötzlich ist es wieder ganz einfach, oder? Plötzlich ist wieder glasklar, was es heißt, ein Mann zu sein, Freunde!“
„Isses? Echt jetzt?“
„Na, im Verteidigungsfall zählt bloße Körperkraft, zählt Mannsein auf den Punkt gebracht, da ist ad hoc klar, warum der Mann seit ewig über der Frau steht!“
„Weil es jederzeit hart auf hart kommen kann!“
„Und wir unsere Körper in die Schlacht werfen müssen!“
„Ohne territoriale Sicherheit ist nichts möglich, das ist die Voraussetzung für ein gutes Leben in Achtsamkeit!“
„Und dafür braucht es potenzielle Männer in der Schlacht?“
„Wie willst du sonst den Frieden verteidigen?“
„Na, vielleicht schon vorher?! Und denkt ihr nicht auch dann und wann, dass Frauen das vielleicht besser lancieren könnten?“
„Hmhm.“
„Man könnte sie versuchsweise quantitativ weltumfassend mehr einspannen, weil, mal Hand aufs Herz, ich habe echt keinen Bock auf meine alten Tage noch in den Krieg zu ziehen!“
„Ach komm, du bist gerade mal 43!“
„Genau, und ich will jetzt entspannt in meiner Midlifekrise rumeiern, und nicht Leute erschießen!“
„Ach, daran hab ich gar nicht gedacht!“
„Woran?“
„Na, man denkt bei Krieg ja zu guter Erst an die eigene Haut, nicht daran, dass man die anderen umnieten muss.“
„Schätze, das macht dann echt was mit dir, Verteidigungsfall hin oder her.“
„Dafür müsste ich extra Termine bei meiner Therapeutin buchen, das würd’richtig teuer werden.“
„Glaub’, wenn Krieg ist, gibt’s keine Therapiesitzungen mehr und so.“
„Vielleicht über Zoom?“
„Nee, wenn so richtig Krieg ist, läuft das mit der Internetverbindung wohl nicht mehr so smooth.“
„Naja, Elon Musk hat sein Internet einfach über den Himmel der Ukraine gespannt, und jetzt haben sie da ein besseres Netz als vorher!“
„Wenn du angegriffen wirst, sind alle viel netter zu dir als vorher!“
„Man kann immer auch das Positive sehen!“
„Vor allem aus der Ferne.“
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