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Japan: Bestechungsskandal eskaliert

■ Ministerpräsident Takeshita unter Beschuß: Opposition fordert Rücktritt und Neuwahlen

Tokio (dpa) - Die Enthüllungen, die den ohnehin schon unpopulären japanischen Ministerpräsidenten Noboru Takeshita treffen, kamen in den letzten Tagen in immer dichterer und atemberaubender Folge: Am Freitag letzter Woche hatte sich herausgestellt, daß der auf subtile Bestechungspraktiken spezialisierte Multikonzern Recruit Co. Takeshita am 21. Mai 1987 mit 20 Millionen Yen (285.000 Mark) für einen „politischen Fonds“ versorgte. Am Mittwoch kamen die Zeitungen mit der Schlagzeile heraus, daß Takeshita am 30. Mai jenes Jahres - keine zehn Tage später - von Recruit noch einmal 30 Millionen Yen für den gleichen Zweck erhielt zusammen umgerechnet 718.000 DM.

Takeshita sicherte auf einer Pressekonferenz eine „Prüfung“ zu, ohne auch nur ein Dementi anzudeuten. Zahlreiche Oppositionspolitiker forderten einen sofortigen Rücktritt des gesamten Kabinetts und Neuwahlen für das Parlament. Takako Doi, Vorsitzende der Sozialisten als größter Oppositionspartei und Oppositionsführerin im Unterhaus, rief alle Takeshita-Gegner zu gemeinsamen Konsultationen über die Bildung einer Koalitionsregierung gegen die regierende Liberaldemokratische Partei (LDP) auf.

Takeshita war im Sommer 1987 von zahlreichen japanischen Unternehmen finanziell gefördert worden, als er sich gegen zwei andere LDP-Politiker um die Nachfolge des damaligen Regierungschefs Yasuhiro Nakasone bewarb.

Der Recruit-Konzern hatte sich 1986 prominente Regierungspolitiker durch anrüchige, wenn auch legale Aktiengeschäfte gewogen gemacht: Der damalige Ministerpräsident Nakasone, Takeshita und mehrere Minister beauftragten Helfer und Freunde, Recruit-Aktien vor der offiziellen Börseneinführung zu kaufen - zum großen Teil mit zinsgünstigen Recruit-Krediten. Innerhalb weniger Tage stiegen die Kurse steil nach oben und brachten den Begünstigten riesige Gewinne.

Der stellvertretende Ministerpräsident und Finanzminister Kiichi Miyazawa und zwei andere Kabinettsmitglieder mußten inzwischen wegen dieser Affäre zurücktreten. Als eigentliche Zentralfigur im undurchsichtigen Recruit-Gewebe jedoch gilt Nakasone, der nach Überzeugung der Oppositionsparteien für beträchtliche Vergünstigungen verantwortlich war, die Recruit im Umfeld der Aktiengeschäfte von der Regierung erhielt.

Helmut Räther

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