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Jansen-Werft gestürmt

■ Werftarbeiter verhinderten Versteigerung ihres Betriebes / Leeraner Reeder wollen Konkurswerft kaufen / Gläubiger einverstanden / Nur Konkursverwalter schoß quer

Wer ist schneller? Der Auktionator, der die Jansen-Werft gestern in Leer unter den Hammer bringen wollte, oder die „Erwerbergemeinschaft“ aus Reedern und Geschäftsleuten der Umgebung, die die Werft kaufen und weiter betreiben wollen. Das Wettrennen endete gestern mit einem echten „Unentschieden“.

Der Termin zur Versteigerung der Werft, die schon seit dem April des vergangenen Jahres in Konkurs ist, war schon vor Wochen angesetzt worden. Die drohende Auflösung des Betriebes hatte in der Region noch einmal Kräfte mobilisiert. Reeder, Schiffsversicherer und Zulieferbetriebe fanden sich bereit, den Betrieb zu übernehmen, und dort Schiffe der ortsansässigen Reeder reparieren zu lassen. Von den früher über 300 Belegschaftsmitgliedern sollten etwa 150 auf der Jan

sen-Nachfolgewerft Arbeit finden. Die Norddeutsche Landesbank, die zunächst acht Mio. Mark für Hallen, Helgen und Maschinen haben wollte, ließ sich auf etwa fünf Mio. herunterhandeln. Ihre Unterschrift prangte unter dem Vertrag neben denen der Käufer. Nur eine Signatur fehlte: die des Konkursverwalters Richard Schulze, eines Bremer Rechtsanwalts, der sich in den vergangenen Jahren als Haßfigur erster Güte in die Herzen der Leeraner Werftarbeiter eingegraben hat.

Gestern früh um acht Uhr sollte Schulze unterschreiben. Ort des Geschehens: das Hotel Preyth in Leer, wo Schulze übernachtet hatte. Als die Käufer die Halle betraten, hatten die Beauftragten der Norddeutschen Landesbank schlechte Kunde für sie: Schulze wollte nicht zustimmen, er war

bereits abgereist.

Inzwischen war auch der Auktionator des Hamburger Versteigerungshauses Dechow in Leer angekommen. Denn um zehn Uhr sollte das Inventar der Werft unter den Hammer kommen. Da Schulze dem Vertrag nun nicht zugestimmt hatte, sollte das Verhängnis seinen Lauf nehmen. Der Auktionator machte sich bereit. Doch, da gab es ein Problem: Wie sollte er auf die Werft kommen?

Denn vor dem Tor hielt der Betriebsrat eine öffentliche Betriebsversammlung ab. Öffentlich nicht nur, weil sie unter freiem Himmel stattfand, sondern auch, weil rund 1.500 Menschen aus Betrieben und Gewerkschaften der Umgebung daran teilnahmen.

Vor dem geschlossenen Tor nahm die Versammlung ihren Lauf. Doch plötzlich: Alarm! Der Versteigerer habe sich durch die

Hintertür mitsamt den Kaufinteressenten auf die Werft geschlichen, hieß es plötzlich. Und sie, die Arbeiter, sollen vor dem geschlossenen Tor untätig abwarten? Trotz massiver Polizeipräsenz stürmten die Werftarbeiter das Tor. Und richtig: In der Schiffbauhalle war alles für die Auktion vorbereitet. Aber: der Auktionator und seine Kundschaft waren nicht zu sehen. Schließlich spürten die Werftarbeiter sie in einem Büro auf. Die Versteigerung werde nun nicht stattfinden, teilte der Auktionator mit. Einen Termin für seinen zweiten Anlauf wollte er nicht nennen. Ob der denn bekanntgegeben würde, wollte ein Journalist wissen. Der Auktionator: „Mit Sicherheit nicht“. Als die Arbeiter nach Hause gingen, ließen sie eine Wache am Tor zurück. Für alle Fälle.

mw

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