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Jan-Paul Koopmann Popmusik und EigensinnMit dem Arschloch versöhnt

Foto: kms

Angenommen, es gäbe seine Musik nicht, sondern nur dieses Buch: Man müsste sich schon fragen, ob Jörn Birkholz ein schlechter Mensch ist – oder ein begnadeter Schriftsteller. Denn es geht einem schon nahe, dieses Arschloch von Ich-Erzähler, wie es durchs Land reist und seine unzähligen Frauengeschichten am Laufen hält. Mit viel Geld nämlich und kaltherziger Ignoranz gegenüber den mitunter brutalen Lebensumständen seiner „Geliebten“. Am schlimmsten hat es Birgit aus Rostock, die von ihrem Nazi-Bruder wegen Schulden verprügelt wird, während ihre knapp erwachsene Tochter sich dem Protagonisten der Geschichte für 150 Euro prostituiert.

Grausamer als der Plot ist nur die teilnahmslose Sprache, in der Birkholz seinen Roman „Am Ende der liegenden Acht“ erzählt: Mit so einem Ich-fick-sie-trotzdem-Ekel gegenüber dem entmenschlichten Sexobjekt, der einem vom Zuhören die Fäuste ballen lässt. Weil das aber natürlich folgenlos bleibt und weil dieser Birkholz so schrecklich authentisch klingt – darum kommt man dann schon ins Grübeln.

Aber da ist ja noch die Musik. Dieser Tage erscheint die CD „Frauengold“ von Das Leck, wohinter ebenfalls der Bremer Birkholz und Stephan Groß stecken. Authentisch klingt auch die, was hier so viel heißt wie selbstgemacht. Schrabbelige wie durch den heimischen Computer gejagte Sounds, die so sonderbar eingängig klingen, weil sie ähnlich der gesampleten Zitate verdächtig nach Bekanntem klingen. Die Dead Kennedys scheinen mal heimlich mitzuklampfen, dann wieder drängen Kyuss aus der Erinnerung. Und dazu Birkholz’Dada-Texte.

Jörn Birkholz: Das Ende der liegenden Acht, Sisyphus-Verlag 2017, 110 Seiten, 12,80 Euro

Das Leck: Frauengold, Fuego, 2017

Die aber haben es auf eine verschrobene Art wirklich in sich, wenn man sie lässt. „Drei Chinesen mit dem Kontrabass / erkannten es war keiner / und wurden blass“. Beknackt, ja, aber auch sonderbar beklemmend. Finden Sie nicht? Was ist damit: „In deiner Phantasie(hie) / da war ich nie(hie)“. Wo der Roman mit Ausdrücklichkeit quält, sind es hier die Leerstellen, wo es gar nicht mehr ums Bett geht, sondern schon der kleinste lustvolle Gedanke abwesend bleibt.

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