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Jan Korte über Kommunismus-Debatte"Der Zweck heiligt nie die Mittel"

Der Ostpragmatiker Jan Korte fordert, dass sich die Linkspartei weiter ihrer Geschichte stellen muss. Zudem soll sie sich in ihrem Grundsatzprogramm zum Antistalinismus bekennen.

Schreckgespenster für Antikommunisten: Lenin und die Sowjetflagge. Bild: Pilar – Lizenz: CC-BY-SA
Stefan Reinecke
Interview von Stefan Reinecke

taz: Herr Korte, hat die Linkspartei ein Kommunismus-Problem?

Jan Korte: Nein. Wir führen eine Debatte.

Das ist etwas untertrieben …

Es ist auch 2011 noch etwas anderes in Deutschland, über Kommunismus zu reden, als dies in Italien oder Frankreich zu tun, wo das entspannter geht. Es gab in Westdeutschland einen Antikommunismus der Konservativen, der eine Ideologie war, um die Ideen von mehr Gleichheit zu bekämpfen.

Das heißt: Antikommunismus ist illegitim?

Ich würde sagen: Der westdeutsche Antikommunismus hatte einen sehr realen Anknüpfungspunkt - nämlich die DDR. Die besten Argumente für die Antikommunisten saßen im ZK der SED. Ich glaube, dass wir als Linke besser den Begriff Antistalinismus benutzen sollten, um zu zeigen, was wir aus der Geschichte gelernt haben.

Nämlich?

Dass Denken in Freund-Feind-Kategorien falsch ist. Dass Weltbeglückungsideologien und jede Form von autoritärem Sozialismus passé sind. Das sind Relikte der Vergangenheit, so wie der Kommunismus auch, nicht aber der demokratische Sozialismus.

Im Interview: JAN KORTE

JAN KORTE 33, ist seit 2005 für die Linkspartei im Bundestag. Im Jahr 2009 zog er via Direktmandat (Wahlkreis Anhalt, Sachsen-Anhalt) in den Bundestag ein. Korte ist Experte für Innenpolitik und Datenschutz und gehört der Reformströmung "Forum demokratischer Sozialismus" (fds) an.

Ist das wirklich Vergangenheit? Gibt es nicht einen Teil der Linkspartei im Dunstkreis der "jungen Welt", der noch immer antidemokratisch ist ?

Antidemokraten haben in der Partei Die Linke keinen Platz. Es muss allen klar sein, dass es nie wieder Sozialismus ohne demokratischen Rechtsstaat geben wird. Das ist die Lehre aus der Geschichte. Der Zweck heiligt nie die Mittel. Punkt.

Die Linksparteipolitikerin Ulla Jelpke hat mit der Ex-RAFlerin Inge Viett darüber geplaudert, ob man Bundeswehr-Lkw abfackeln soll. Ist das okay?

Die Linkspartei lehnt Gewalt grundsätzlich ab.

Was sagt das über die Linke?

Nichts. Wir sind eine Partei, die sich intensiv mit ihrer Geschichte befasst. Wir sollten aus dieser Debatte eine Schlussfolgerung ziehen und die Absage an den Stalinismus als System in die Präambel unseres Grundsatzprogramms aufnehmen.

Reicht Antistalinismus? Gibt es, angesichts der Zwangsvereinigung zur SED, keinen legitimen SPD-Antikommunismus?

Da gibt es verständlicherweise Vorbehalte. Ich beharre darauf, dass wir uns weiter mit unserer Geschichte konfrontieren müssen. Und zwar um unserer selbst willen, und nicht um es jemand recht zu machen.

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt will die Linkspartei überall vom Verfassungsschutz beobachten lassen und am liebsten verbieten. Hat das Auswirkungen?

Das zeigt erst mal, dass Herr Dobrindt nicht ganz rund läuft. Zweitens, dass die Konservativen noch immer meinen, in politischen Konflikten mit Einschüchterungen arbeiten zu können. Das hat in einer Demokratie nichts zu suchen. Wir kommen ja auch nicht auf die Idee, wo wir regieren etwa die Berliner CDU vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen, weil dort obskure Leute rumlaufen.

Ist das Verbot eine Gefahr?

Ach, das ist so durchsichtig, dass es sich selbst desavouiert. Die Union sollte sich lieber mit ihrer Geschichte befassen. Wir haben die Fälle Eichmann und Barbie, NS-Massenmörder, die im CDU-Staat der 50er Jahre von Behörden gedeckt wurden. Ich warte darauf, dass die Union oder die Adenauer-Stiftung den Mumm hat, dazu ein Symposion zu veranstalten. Anstelle dessen werden die BND-Akten unter Verschluss gehalten. Die Kritik der Union an der Geschichtsbewältigung der Linkspartei ist pharisäerhaft.

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15 Kommentare

 / 
  • VG
    von Glaubiger

    Frage:

    Worin besteht der Unterschied zwischen Kommunismus und Demokratischer Sozialismus?

     

    "Dass Denken in Freund-Feind-Kategorien falsch ist."

    Auf so etwas mus man erst mal kommen!????

     

    In meinem Wahlkreis kandidiert Jan Korte nicht.

     

    Was muß denn noch passieren um diesen Satz als ad absurdum zu erkennen?

    Hätte er nur ein Körnchen Wahrheit, viele Probleme in unserer Gesellschaft hätten die Chanse zum Wohle vieler Tausender gelöst zu werden.

  • B6
    Bernd 65J.

    Sozialismus ist in ,Kommunismus ist out .

  • A
    Axel

    Antikommunismus zur einer Forderung zu erheben statt Antistalinismus (oder wie man Gewalt, Diktatur usw. denn nun immer gerne bezeichnen möchte) wäre ja nun wirklich dumm.

     

    Kommunismus ist - genau wie Kapitalismus und sämtliche Mischformen ja auch - kein politisches Prinzip sondern ein wirtschaftliches Prinzip.

    Da diese Wirtschaftsform bisher ausschließlich im gewalttätigen, diktatorischen Ostblock aufgetreten ist, ist es vieleicht verständlich, dass man da auch mal durcheinanderkommen kann.

    Dennoch ist es eine Sache der basalsten politischen Bildung:

     

    Jede Wirtschaftsform kann mit jeder politischen Verfassung kombiniert werden. Das sind nun einmal voneinander relativ unabhängige Sphären. Antikommunismus aus Prinzip kommt daher einem Denkverbot gleich. Das Journalisten sowas nicht wissen (ist der Sozialkundeunterricht früher ausgefallen?) macht mich fassungslos.

    Ich glaube, ich lese zu viel taz.

  • GP
    gerd platt

    Herr Korte, auch ich habe in meiner Jugend einmal geglaubt einen Unterschied zwischen Kommunismus und Stalinismus machen zu können.

    Das war falsch. Die Menschen sind nicht gleich. Wenn man die Menschen (auch aus gut gemeinten ideologischen Gründen)trotzdem gleich machen will, muss ich immer Gewalt gegen die Menschen ausüben.

    Diese Gewaltausübung muss daher zwangsläufig in Diktaturen und Massenmorden münden.

    Das sollte man heute eigendlich aus den Terrorregimen in der Sowjetunion, der DDR, China, Albanien, Korea, Laos usw... gelernt haben.

    Übrigens setzt die notwendige Ausübung eines gleichmacherischen Zwangs voraus, dass es Menschen gibt, die diesen Zwang ausüben; diese sind dann natürlich nicht mehr gleich.

    Ein unauflösbarer Widerspruch.

    Ein Demokrat muss daher immer auch ein Antikommunist sein.

    Vereinbar mit Demokratie und Menschenwürde ist nicht die Gleichheit aller Menschen, sondern deren Chancengleichheit!

  • L
    lunatir

    Wie kommt es eigentlich das so viele Leute, selbst in der TAZ, solchen abstrusen Vorstellungen über Die Linke haben.

    20 Jahre Medienvergiftung haben gewirkt.

    Kaum einer weiß von der schmerzlichen Aufarbeitung der wenigen übrigen Mitglieder, sowie von den unzähligen Debatten, Konferenzen, Büchern usw.

    Kaum einer scheint sich zudem mit inhaltlicher Politik zu befassen, denn gerade Die Linke redet nicht nur von Demokratie, sondern stimmt auch so ab.

    Man weiß jedesmal gar nicht ob man lachen oder heueln soll, angesichts solch trauriger medialen Verblödung.

  • A
    Antje

    erstens war und ist es mehr als unfein, wenn nazirichter einfach wieder in den dienst berufen werden oder an andere gehobene stellen des öffentlichen lebens treten durften.zweitens ist es natürlich immer unbenommen, dass jedem menschen das recht eingeräumt werden muss, seine biographie aufzuarbeiten und einen (seinen?) platz in der gesellschaft zu finden. dumm nur, dass offenkundig nicht jede biographie gleich bewertet wird und nicht jedem menschen gleiche chancen eingeräumt werden. selbst das bundesdeutsche strafrecht ist da weiter, als offenkundig einige kommentatoren hier. der verweis auf die folgen honeckerscher bildungsdoktrin in bezug auf herrn korte macht allerdings jeden schreiber etwas fragwürdig.

    ich findeaber durchaus, dass es einen gewaltigen unterschied gibt zwischen antikommunismus und antistalinismus. letzterer lehnt die grausamkeiten einer diktatur ab, ersterer hat z.b. in der zweiten hälfte des vergangenen jahrhunderts in den usa zu massenhaften denunzinationen geführt. vielleicht loht es sich ja doch, mal jemandem zuzuhören, der sich mit geschichte befasst hat. auch wenn er nicht aus der richtigen partei kommt.

  • Q
    Querulant

    Frage: Ist der "Zweck" wirklich so gut???

  • HG
    HK G36

    1960 hätte es so klingen können: Nach erfolgreicher Umbenennung in "Die Rechte"-Partei der humanen Endlösung sollte sich die NSDAP endlich vom Himmlerismus verabschieden und sich den unschönen Vorkommen im Verteidigungskrieg gegen den Bolschewismus stellen. Zum Glück sind die Rechten im Land einsichtiger als die Linken. Die westdeutschen Linken werden bis zum Tod nicht zugeben, daß ihr Mao- Stalin- Marx Gelaber der 70er ein idiotischer und falscher Weg zu einer besseren Gesellschaft war. Deutsche Linke haben schon in den frühen 20er generös über sozialistischen massenmord in der UdSSR hinweggesehen. Seitdem hat sich nur der Tonfall geändert, sonst nichts. Wenn heute verfassungsfeidliche Verbrecher und Betonköpfe wieder aus ihren Löchern kriechen und es keine Trennung mehr zur demokratischen Linken gibt, finde ich als rechter Demokrat, daß es Zeit ist sich zu bewaffnen und Planungen für den Ernstfall vorzunehmen. Wir haben zum Glück wegen der linksfaschistischen Bewegungen der 70er den Artikel 20GG. Ich empfehle jedem sich mal Absatz 4 durchzulesen.

  • FG
    Friedrich Grimm

    Fast alle Kommentatoren verhalten sich wie unsere Politiker. Nicht Aufrechnung ist gefragt, sondern abwägen und darüber nachdenken, was denn an dem was Herr Korte sagt richtig sein könnte. Der Geografiestunde von "Stephan" könnte man ohne Mühe Geografiestunden des anderen Lagers dagegenhalten. Natürlich alles vollkommen sinnlos, denn Menschen wie ein Herr Dobrindt ticken nicht menschlich normal.

  • F
    Füssig

    Debatten um Namen und Bezeichnungen unter linken find ich immer lustig. Antikommunismus oder Antistalinismus?

    Rassismus stimmt ja auch nicht, weil es gar keine Rassen gebe. Und Homophobie halte ich für einen üblen

    Euphenismus.

    Solche Debatten haben einen Vorteil. Sie bieten einem häuflein Wichtigtuer die Möglichkeit sich zu profilieren. Neue Ideen wie das menschliche Miteinander

    verbessert werden könnte erwachsen daraus natürlich nicht, aber wenigstens steht mein Name richtig in der Zeitung.

    Was mir zudem an seiner Argumentation missfällt:

    Ja es war sehr unfein, als vor 60 Jahren einige Altnazis in der CDU eine neue politische Heimat fanden.

    Nur wir haben mittlerweile das Jahr 2011 und diese Geschichten gehöhren in die Vergangenheit. Genauso wie

    Kommunismus Stalinismus und verblendete Ideologen wie Herr Korte.

    So lässt sich keine Zukunft gestalten.

  • A
    Autofreier

    So so, Viet und Lötzsch thematisieren also das abfackeln von Bundeswehr-lkw.

     

    Wiviele gibt es denn davon?

     

    Was sind die paar lkw gegen den mob privater vollstrecker die sich auf die StVO berufen?

     

    Wann setzt sich die rechte und die mitte mit der kfz-gewalt in vergangenheit und gegenwart auseinander.

    Und wann überwindet die linke ihr vollzugsdefizit (an autos rumnörgeln, aber selber fahren).

    Das wäre eine K-debatte, die überfällig ist.

  • G
    Gutmensch

    Bei allen durchaus berechtigten Vorwürfen der Geschichtskittung laufen wir doch Gefahr, alle Alternativen zum aktuellen, mörderischen status quo von vornherein als historisch gescheitert auszuschließen. Insbesondere darf das Scheitern der Vergangenheit nicht zur Legitimation des gegenwärtigen Scheiterns führen - und das ist allzu oft der Fall. Wir müssen uns nur die wichtigsten Kennzahlen des globalen, real existierenden Kapitalismus vor Augen halten, um zu begreifen, wie notwendig neues Denken und Handeln sind:

     

    - Jedes Jahr sterben etwa 9 Millionen Menschen, hauptsächlich Kinder, an Hunger. Tendenz seit Jahren steigend.

    - Die 1125 Dollar-Milliardäre, die es weltweit gibt, halten zusammen ein Vermögen von ca. 4,4 Billionen Dollar. Damit besitzen sie etwa vier mal so viel wie die untere Hälfte der Weltbevölkerung (etwa 3,3 Milliarden Menschen) zusammengenommen.

    - Dem aktuellen „World Wealth Report“ zufolge gibt es weltweit derzeit etwa 10,1 Millionen US-Dollar-Millionäre (davon 826.000 aus Deutschland). Zusammen verfügen diese 10,1 Mio. Millionäre (weniger als 0,2 % der Weltbevölkerung) über 40,7 Billionen US-Dollar. Damit halten sie ein Vermögen das mehr als doppelt so hoch ist wie jenes der unteren 90 % der Weltbevölkerung (über 6 Milliarden Menschen) zusammengenommen.

  • S
    Stefan

    wer die junge Welt jemals gelesen hat, weiß wie dort Geschichtskittung praktiziert wird. Nicht nur zum Thema Stalinismus.Auch zu DDR, RAF,China, Kuba, Iran,Irak, Nord-und Suedkorea, zur Gewalt von Linken und Autonomen usw. die Gewalt, die Menschenrechtsverletzungen, die Morde der eigenen Ideologien werden dort systematisch beschönigt und deren Vertreter erhalten ein Podium.

    Dies hat im Laufe der Jahre auch der kritische leser gemerkt, so dass diese Zeitung heute bedeutungslos ist.

    Aber Werbung für die Linke hat dort immer Platz.

    für mich ist es völlig überflüssig, dass Frau Lötzsch sich heute noch mit ewig Gestrigen wie Inge Viett oder DKPlern auf ein Podium setzt. Siesollte sich auf demokratische Podien setzen. So ist sie unglaubwürdig

  • MC
    Michael Collins

    Ein Bekenntnis gegen den Stalinismus, herzlichen Glückwunsch. 1956 erklärte Ulbricht, dass Stalin nicht mehr zu den Klassikern des Marxismus zähle, 1961 wurde Stalinstadt und die Stalinallee umbenannt, aber eine Linkspartei hat einen großen Schritt getan, wenn sie ein halbes Jahrhundert später ein Bekenntnis gegen den Stalinismus ins Programm aufnimmt!? Nun war mit der Abkehr von Stalin noch nicht die Abkehr vom Stalinismus in Gänze vollzogen, aber dass wovon sich die Linke hier verabschieden soll, wie Korte es fordert, ist der Sozialismus in den Farben eines Nicolae Ceaușescu. Da hatte man doch gehofft, dass dies schon 1989 der Fall gewesen ist...

  • G
    Georg

    Jan Korte ist ein Kommunist. Die ganze Rhetorik, die Diktion, sein Klischedenken, seine crude Argumentation erinnert mich als DDR-Bürger erschreckend an damals. Nie wieder dürfen solche Ideologen und Geschichtsverzerrer an die Macht, damit Margot Honecker nicht einen späten Sieg feiern kann. Danke für dieses erhellende Interview.