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Jagd nach Blutproben

Das Zähneklappern nimmt kein Ende: Der Familienfilm „Jurassic World: The Rebirth“ von Gareth Edwards setzt die Begegnungen von Menschen und Dinos gewohnt effektgeladen fort

Von Jenni Zylka

Machen wir uns nichts vor: Dinosaurier sind etwas für Kinder. In ihren „Dino-Phasen“ lassen Kinder Hartplastikdinos mit furchterregendem Brüllen Häuser verwüsten, Bäume entwurzeln und Menschen tottrampeln – selbst wenn die Saurier, wie man aus „Toy Story“ weiß, in Wirklichkeit sensible Wesen sein könnten, die sich sorgen, dass ihr Besitzerkind einen anderen Dino mehr lieb hat.

Die Vorliebe von Kindern für die ausgestorbenen Großreptilien liegt, das behaupten Psycholog:innen, einerseits in kindlichen Allmachtsfantasien begründet, die sich durch die Giganten hervorragend ausleben lassen – endlich ist man mal nicht mehr klein und machtlos, sondern das Gegenteil. Andererseits spricht die Dinosaurierexpertise den Nerd in jedem Kind an: Mosasaurus, Velociraptor und Quetzalcoatlus benennen und auseinanderhalten zu können, dazu gehört schon einiges an beeindruckender Kompetenz.

Seit Regisseur Steven Spielberg, der bei vielen seiner Werke (unter anderem „E.T.“) immer wieder die eigene, enge Verbindung zum „inneren Kind“ betonte, 1993 „Jurassic Park“ und vier Jahre später „The Lost World: Jurassic Park“ inszenierte, stil- und storybewusst nach Romanen des fantasievollen Science-Fiction-Allrounders Michael Crichton, brüllen sich mächtige Dinos in einem ebensolchen Franchise durch das US-amerikanische Mainstreamkino, machen den bis dato größten, allerdings ursprünglich sehr unamerikanischen Godzilla-Monstern dieser Welt Konkurrenz, scheffeln mit Tickets und Devotionalien Millionen im Box Office, und vergrößern nebenbei die Biodiversität. Sie wurden in den fünf Vorgängerfilmen zunächst aus Jura-Dino-Erbsubstanz gezüchtet und in einem Park auf der (fiktiven) Isla Nublar gehalten; verzogen sich dann auf die Nublar-Nachbarinsel Sorna; veranstalteten auch dort einiges an Dino-on-Human-Action; fanden sich (in einer neuen Trilogie) in einem Vergnügungspark wieder; wurden von einem Vulkanausbruch bedroht und schafften es schließlich arg ausgedünnt in die Zivilisation.

Am Anfang des neuesten Dinoabenteuers, „Jurassic World: The Rebirth“, inszeniert von Blockbuster-Experte Gareth Edwards, stecken sie immer noch dort fest – und zwar wortwörtlich: Wer denkt, nur zu viele Autos können einen Stau verursachen, der sollte mal überlegen, was passiert, wenn ein Brachiosaurus die Straßenseite wechseln will.

„Jurassic World: Die Wiedergeburt“. Regie: Gareth Edwards. Mit Scarlett Johansson, Mahershala Ali u. a. USA 2025, 133 Min. Ab 2. 7. im Kino

Ähnlich wie andere Staus und die meisten Tiere scheinen die Dinosaurier inzwischen allerdings von den Menschen komplett ignoriert zu werden: Keiner schert sich um sie, die meisten leben vergessen auf ein paar äquatorialen Inseln. Sogar die beeindruckenden Dinomuseen der Städte haben Besucherflaute. Der bücherwurmige Museumsangestellte und Paläontologe Dr. Henry Loomis (Jonathan Bailey) braucht darum nur eine recht kurze Bedenkzeit, um einem Vorschlag der „Trouble-Shooterin“ und Abenteurerin Zora Bennett (Scarlett Johannsson) und des zwielichtigen Geschäftsmanns Martin Krebs (Rupert Friend) zuzustimmen, den Dinos endlich persönlich zu begegnen.

Gemeinsam mit Zoras altem Lieblingshaudegen Duncan Kincaid (Mahershala Ali) und weiteren mutigen Menschen reist man ins Dinogebiet; der Auftrag lautet, Blutproben von den drei größten Dinosauriern zu Land, zu Wasser und in der Luft zu nehmen – zu einem absolut altruistischen Zweck: Mit daraus entwickelten Medikamenten sollen sich flächendeckend Herzerkrankungen heilen lassen. Zwecks Venenpunktion eines Mosasaurus (des größten Schwimmsauriers) beginnt man auf dem Ozean, auf dem gleichzeitig auch eine Latinofamilie bestehend aus Vater (Manuel Garcia-Rulfo), kleiner Tochter, Teenietochter und deren Kifferfreund ein bisschen gemeinsame Qualitytime beim Segeln erfährt. Beim Erstkontakt mit dem Mosasaurus kippt das Familienboot, auf ein Mayday-Signal folgt die Rettung durch Zora und ihre Truppe.

Was dann passiert, beherzigt die Regeln der üblichen Heldenreise: Ge­fähr­t:in­nen müssen sich bei der Suche nach den Ringen, in diesem Fall den Sauriern, zusammenraufen, werden bedroht, verletzt und dezimiert, erkennen aber auch die wahren Werte des jeweils anderen und werden sogar von Söld­ne­r:in­nen zu besseren Menschen. (Bis auf einen, der sich als faules Ei, beziehungsweise als rein kapitalistisch denkender Wurm entpuppt.)

Nicht Käptn Ahab, sondern die unerschrockene Zora mit ihrem Blutprobengewehrzielt auf das Tier

Mithilfe seiner technischen Departments löst Edwards bei der Inszenierung dieser in gut goutierbare Häppchen aufgeteilten Dino-Mensch-Eskalationen eine Reihe cineastischer Assoziationen aus, die liebevoll unter anderem Regisseure wie Spielberg, John Huston oder Ridley Scott zitieren. Es wirkt ein wenig, als würde die Familie Ricks in sonniger Umgebung statt auf Flipper auf eine überdimen­sio­nale Mischung aus dem weißen Hai und Moby Dick treffen; nicht Käptn Ahab mit der Harpune, sondern die unerschrockene Zora mit ihrem Blutprobengewehr zielt hernach auf das Tier, während Cheech (ohne Chong) sich wegduckt. Als die Truppe auf der Suche nach den restlichen Blutproben auf einer verlassenen Insel strandet, gerät sie ins Visier eines durch Genexperimente mutierten Aliensauriers – und so ein Alien kennt, das weiß man von Ridley Scott, erst recht kein Pardon.

Sogar in Alexandre Desplats Filmmusik findet sich der Hommagegedanke: Von klassischer Suspensemusik à la Hitchcock bis zu John Williams’fröhlich-getragenem Original-„Jurassic Park“-Thema ist alles dabei – Letzteres hallt seit den 90ern, als der erste Film drei Oscars bekam, als würdige Trailermusik der Oscarshows in jedermanns Ohr nach.

Nicht nur wegen der obligatorischen Mahnungen, die Umwelt und ihre Artenvielfalt zu schützen, des diversen Casts, eines niedlichen Kinds samt Babydino, ein paar harmloser Gags und der bleibenden Faszination an der Begegnung zwischen einem Giganten und einem Menschen kann man „Jurassic World: The Rebirth“ also (zumindest für Jumpscare-gewohnte FSK-12-Kandidat:innen) Familientauglichkeit bescheinigen. Hinter dem bedrohlichen Gebrülle der Dinos steckte eben immer schon eine Erzählung für Nerds mit Kindern – ob echten oder inneren.

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