JUNGE UND MÄDCHEN : Kein Biobuch
Hinter mir laufen zwei Kinder und unterhalten sich angeregt. Das Mädchen sagt plötzlich: „Da kriegen die Männer die Kinder! Ja! Stell dir mal vor.“ Ich stell es mir vor, Transmänner mit Gebärmutter zum Beispiel, und finde die Idee gar nicht schlecht. Das Mädchen jedoch ist anderer Meinung. „Das ist voll unnatürlich!“, schimpft sie, ziemlich laut.
Ich zucke zusammen, so unnatürlich finde ich das nicht. Fast bleibe ich stehen und drehe mich um; meine Belehrermentalität kommt durch. Aber der Junge ist schneller als ich. „Ja, und“, sagt er, „das ist doch auch kein Biobuch.“ Erst freu ich mich, das heißt ja wohl, dass er Transen mag oder so, aber dann bin ich doch konfus. Kennt er denn Transen? Und was ist kein Biobuch? Wovon reden die überhaupt? Wo kriegen die Männer die Kinder? Ich will das jetzt wissen.
Ich dreh mich um, aber die beiden sind weg, einfach so. Ich schaue und schaue, und dann sehe ich sie auf dem Schleichweg zwischen zwei Häusern. Fast laufe ich ihnen hinterher, aber dann benehme ich mich doch und gehe brav weiter geradeaus. Mein gutes Benehmen wird belohnt: An der nächsten Kreuzung stehen die zwei plötzlich vor mir an der Ampel; der Schleichweg war wohl eine Abkürzung. Sie reden noch immer, und zwar über Transen. Also doch, denke ich.
„Da gibt’s auch Transen und Schwule“, sagt der Junge gerade.
„Nicht so laut!“, weist ihn das Mädchen zurecht.
Ich schaue das Mädchen an, der Junge auch. Ich sage nichts, aber der Junge schon. Er wiederholt das Wort ganz laut: „Schwul!“ Dann rennt er los über die Kreuzung, das Mädchen rennt hinterher. Sie rennen, und dann sind sie weg, diesmal wirklich, und ich weiß immer noch nicht, wo die Männer die Kinder kriegen. JOEY JUSCHKA