JOSEPH KARDINAL RATZINGER STELLT MAL DIE RICHTIGE FRAGE: Ein schwarzer Papst: ein schönes Zeichen
Wenn der Chef der Glaubenskongregation im Vatikan, Joseph Kardinal Ratzinger, mit einem langen Interview das Wort ergreift, dann passiert dies stets mit Hintergedanken. Zwar rühmt der reaktionäre Kirchenmann den „manchmal sehr müden“ Papst mit vergifteten Komplimenten. Wer aber bedenkt, wie der damalige Bischof Karl Lehmann aus Mainz vor zwei Jahren nach viel vorsichtigeren Äußerungen über einen möglichen Rücktritt des Papstes abgemeiert wurde, erkennt: Jetzt ist die Diskussion um die Wojtyla-Nachfolge offiziell eröffnet. Und Ratzinger gibt der Debatte zugleich eine neue Wendung. Er legt die Hand in eine Wunde: den Rassismus in den Reihen der Kirche. Angesprochen auf die Möglichkeit eines Papstes aus Afrika oder Südamerika, sagt Ratzinger, es gebe „trotz aller Beteuerungen, dass man gegen Rassismus sei, noch immer große Vorbehalte gegenüber der Dritten Welt“. Er hielte einen afrikanischen Papst dagegen für „ein schönes Zeichen“.
Der Gedanke liegt in der Luft. Denn in der südlichen Hemisphäre leben mehr als zwei Drittel aller Gläubigen. Dort gewinnt die christliche Milliarden-Gemeinschaft – im Gegensatz zur Alten Welt – immer noch neue Schäfchen. Und beim beliebten Spiel „Wer wird der nächste Papst?“ werden Kardinälen wie dem Nigerianer Francis Arinze immer wieder mal Außenseiterchancen eingeräumt.
Dabei deutet Ratzinger das Problem mit wohl gesetzten Worten an, wenn er betont, es könne „prinzipiell durchaus“ einen schwarzen Papst geben. Mit anderen Worten: Die Kirche ist selbst noch nicht so weit, über die Hautfarbe hinwegzugehen. Obwohl mit dem Nordafrikaner Augustinus schon vor 1.600 Jahren ein Nichtweißer höchste kirchliche Weihen erhielt – das Hauptargument gegen Arinze ist stets dessen Hauptfarbe. Das könne man den Gläubigen im Norden noch nicht zumuten.
Dabei wäre es wünschenswert, dass der nächste Papst aus der „Dritten Welt“ kommt. Denn dort liegt nicht nur rein demografisch die Zukunft der Weltkirche. Mit einem Papst aus dem Süden könnte sinnbildlich werden, was die Befreiungstheologen schon immer von der Kirche fordern und was sie eines Tages zwangsläufig sein wird: eine Kirche der Armen. PHILIPP GESSLER
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