JOSEF WINKLER über ZEITSCHLEIFE : Die Windmühlen meines Kopfes
Die Moderne hat in meinem Dorf Einzug gehalten: Sie kam in Gestalt von Windkrafträdern. Sehr witzig!
Ich wollte den lustigsten Text aller Zeiten über Windenergie schreiben. Das ist jetzt keine Koketterie, die Absicht war da. Es sollte ein Text werden über Windenergie, wie ihn so noch keines Menschen Aug’ geschaut. Ein Text über Windenergie, der Befürworter und Gegner gleichermaßen in einer Woge des Witzes forttragen, in einem Feuerstoß des Frohsinns gleichsam wächsern hinschmelzen lassen, sie für einen kurzen magischen Moment ihre Differenzen vergessen und in der universellen Sprache des Lachens, ja: Röhrens, zueinander finden lassen sollte. Es sollte einem bei der Lektüre schon auch mal das Lachen im Halse stecken bleiben, aber primär doch Lacher abgeerntet werden. Mit überlegenem Esprit. Anfangen, hatte ich mir gedacht, mit einem absurden Einstieg, so: kryptische Anekdote, ein paar kuriose Fakten dazu, kitzeln – und dann aber links und rechts die Gags rein, bis das Zwerchfell trocken ist. Aber ich hab mich grad vorhin so böse mit wem gestritten, dass ich jetzt vibriere vor schlechten Schwingungen.
Das hemmt total den Fluss und mir fallen die ganzen crazy Jokes, die sich doch mittlerweile im Zusammenhang mit Windenergie regelrecht anstauen müssten – der Zusammenhang mit der Windenergie birst doch sicher nach all den Jahren schier vor Witzen, die, bebend, nur noch eins ersehnen: endlich gerissen zu werden! –, momentan nicht ein. Es war ja noch nicht mal Auge in Auge, sondern per E-Mail. Das muss man sich mal vorstellen, so was Konfliktunfähiges, dass man einem mal per E-Mail die Meinung geigt und vier Stunden später sich noch immer nicht wieder darauf konzentrieren kann, Späße über Windenergie zu machen. War ich überzogen in meiner Reaktion? Selbstgerecht? Sieht der dann morgen meine Kolumne und denkt: „Das Arschloch. Mich blöd von der Seite anmachen und da wieder den Lustigen rauskehren, das geht bei Typen wie dem doch in einem“? Geht jetzt knapp (ich sage immer knapp) über 30 die Mutation zum biestigen Querulanten los und man merkt’s gar nicht, weil man ja nur sagt, was recht und billig ist? Wo man sich doch viel lieber sehen möchte, wie man in dalailamaesker Ausgeglichenheit Brücken baut zwischen Windenergiegegnern und -befürwortern.
Ich glaube, ich finde gerade zu dem Eingeständnis, dass es in der Tat nicht so viel Humoriges im Zusammenhang mit Windenergie zu erzählen gibt. Der Grund, warum ich das Thema gewählt habe (und Neuwahl war ausgeschlossen; da könnte ja jeder hergehen und immer gleich eine Neuwahl machen), ist, dass bei uns daheim auf dem Dorf, wo ich herkomme, jetzt plötzlich die Moderne angekommen ist. Die war da wohl schon länger, aber jetzt ist sie unübersehbar geworden, in Form des „Windpark Palling“. Die haben mir zwei 136 Meter (das ist fast doppelt so hoch wie unser Kirchturm) hohe Windkrafträder ins Panorama gestellt, die jetzt so „Krieg der Welten“-mäßig hinter der Dorfskyline aufragen. Und ich muss sagen „mir“, weil ich als Alle-paar-Wochenenden-Heimfahrer nach ersten Umfragen der Einzige bin, der sich an den Dingern stört. Gut, ich hab ja auch schon fast aufgehört, mich daran zu stören, weil das ja voll rückwärts gewandt ist. Aber ich frage mich, ob die nicht wenigstens auf die bonbonroten „Sicherheits“-Streifen an den Rotoren hätten verzichten können. Das sieht so unseriös aus. Als würden jeden Moment noch die Teletubbies vom Himmel plumpsen. Und in der Nacht blinken die „Sicherheits“-Positionslichter in der mondbeschienenen Dorf/Waldsilhouette und es sieht aus wie auf dem Holodeck und wenn ich da jetzt auf das Licht draufdrücke, schaltet sich die Simulation ab. Hm. Sie haben Recht, das klingt eigentlich alles ganz cool.
Sag ich’s eben so: Plötzlich diese Dinger in seiner urvertrauten Kindheitslandschaft stehen zu haben, ist, wie wenn dein Vater neuerdings eine Metallantenne auf dem Kopf trägt und es heißt: das ist jetzt so. Stimmt. Das hört sich auch lustig an. Wissen Sie was? Das wird heute nichts mehr. Ich empfehle als Entschädigung das schöne Lied „The Windmills Of Your Mind“ von Dusty Springfield zu hören.
Witze zur Windenergie? kolumne@taz.de Morgen: Kirsten Fuchs über KLEIDER