JOSEF WINKLER ÜBER WORTKLAUBEREIWEIL WEIHNACHTEN WAR: KOLUMNE, IN DER SICH DER AUTOR MIT GOTT VERGLEICHT : Beschlusslage zur Menschwerdung
Freitag Jürn Kruse Fernsehen
Montag Martin Reichert Back on the Scene
Mittwoch Margarete Stokowski Luft und Liebe
Donnerstag Ambros Waibel Blicke
FreitagMichael Brake Nullen und Einsen
Ob das theologisch so haltbar ist? „Wir feiern heute die Nacht“, sprach der wie von Dürer gezeichnete Pfarrer in der Christmette, „in der Gott beschlossen hat, den Himmel zu verlassen und auf die Erde zu kommen.“ Hm. Jetzt weiß ich nicht, wie spontan Gott ist – aber doch wahrscheinlich sehr spontan, Gott ist mit großer Sicherheit spontaner, als wir Irdischen es uns überhaupt vorstellen können.
Gott würde es vielleicht sogar schaffen, mit seinen Spezln, die er eh nur einmal im Jahr an Weihnachten trifft, wenn dann die Stammkneipe zumacht, einen loszumachen, ohne dass man sich ewig die Beine in den Bauch steht und die Anwohner aufweckt bei der Antriebs- und Entscheidungsfindung, ob’s und wo’s jetzt noch weitergehen soll. Gott würde wohl auch nicht ewig herumlavieren mit Silvester und sich bis zuletzt dreieinhalb Optionen offenhalten, um sich dann überstürzt für die langweiligste zu entscheiden.
Nein, ich stelle mir vor, dass Gott, anders als, sagen wir mal zum Vergleich: ich selbst in der Lage ist, aus dem Stegreif mit kühlem Kopf kluge und richtige Entscheidungen zu treffen, ohne danach tagelang zu fretten, ob das jetzt nicht vielleicht doch ein Schmarrn war. Aber dass einer sagt: „Okay, das geht so nicht mehr weiter da hienieden. Ich werde wohl Fleisch werden und in jenes Jammertal hinabsteigen müssen, sonst kapieren die das ja nie. Und in Windeln gewickelt in einer Krippe liegend sollen sie mich finden, so geht’s gleich mal los, ha! Spitzen Entree! Göttliche Idee, hiermit beschlossen“, und ZACK!, in diesem Moment ist auch schon Weihnacht? Das kann ich mir bei allem gefestigtem Glauben in die Spontanität Gottes nicht denken. Da muss es doch einen gewissen Vorlauf gegeben haben, eine Projektphase von der Idee über den Beschluss bis zur Umsetzung, allein schon wegen der neun Monate, die so eine Schwangerschaft – und sei sie noch so unbefleckt oder sonstwie dubios zustande gekommen – halt einfach braucht.
Ach, Sie sagen, für Gott hat Zeit keine Bedeutung, er existiert außerhalb unseres linearen Zeitgefüges? Na gut. Puh. Das klingt für mich ehrlich gesagt NOCH stressiger, aber wer’s mag … Und Gott wird das schon geregelt kriegen.
Jedenfalls würde ich mir gerne weiter vorstellen, dass die Entscheidung Gottes, „den Himmel zu verlassen“ (an diese Formulierung müsste meines Erachtens übrigens auch noch mal ein Theologe ran) und auf die Erde zu kommen, schon irgendwie im Vorfeld der Heiligen Nacht gefallen ist, April, Mai oder so. Ist ja auch erwärmender, an Weihnachten die Geburt eines Kindleins zu feiern und das Wunder und die Gnade etc., und nicht einen erfolgreich verabschiedeten Beschlussantrag vom Vorstand.
Auch nicht gerade festlich sprachverliebt formulierte übrigens der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick in seiner Weihnachtspredigt, das Kind in der Krippe sei auch „als Aufschrei gegen Kinderarmut“ zu verstehen. Ein Kind als Aufschrei? Das kann jetzt vielleicht der Herr Bischof nicht wissen, aber: Ein Kind ist erst mal nur ein Kind, das Geschrei kommt dann von selber. Gern ganz spontan um drei Uhr nachts.