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Archiv-Artikel

JENNI ZYLKA über PEST UND CHOLERA Saufen mit den richtigen Leuten

Es gibt eine Alternative zum Studium! Welche? Kleiner Tipp: Das Fernstudium ist es nicht

Muss mich mal um Biologen kümmern. Habe Interessantes gehört: Es gibt, das erklärte mir neulich eine Biolehrerin, zwei Arten von BiologInnen: die DiplombiologInnen und die LehrerInnen. DiplombiologInnen haben angeblich eine eigene Sprache, sie sagen zu Hunden „Canis lupus familiaris“, zu Wellensittichen „Melopsittacus undulates“und nennen Äpfel und Birnen nicht Äpfel und Birnen, sondern „Kernfrüchte“. In In-Bars fragen sie nach „Wodka-Steinfruchtsaft“, und das Ganze klang in meinen Ohren so unglaubwürdig, dass ich schlichten Bildungsneid bei der Paukerin vermutete. So ein nicht vorhandenes Diplom kann einem schließlich ganz schön den Tag vermiesen. Ich wache ja auch noch alle paar Monate schweißgebadet aus meinem Uni-Albtraum auf, in dem ich stundenlang durch die Gänge laufe, die Räume, in denen in diesem Moment die Prüfungen stattfinden, nicht finden kann, und außerdem bemerke, dass ich ohnehin nie in irgendeiner der Vorlesungen war.

Glücklicherweise muss ich mein nicht vorhandenes Diplom aber eh kaum mehr vorzeigen, An der dafür vorgesehenen Stelle an meiner Arbeitszimmer-Wand hängt schon seit Jahrzehnten die Urkunde, die mich als „Miss Boxershorts 1923“ auszeichnet, und meinen Job habe ich durch Saufen mit den richtigen Leuten ergattert. Allerdings denke ich manchmal über Fortbildung nach, in Zeiten wie diesen ist es eventuell von Nutzen, wenn man unterschiedliche Dinge gelernt hat, sodass man schnell von Journalistin zu Pappverpackungsherstellerin umsatteln kann, wenn es mal wieder einen Mediencrash gibt.

Auf den Anzeigen, die immer auf die Rückseiten der Fernsehzeitungen und Bahnmagazine gedruckt sind, gibt es aber leider kein Umschulungsangebot zur Pappverpackungsspezialistin. Nur „Erfolgreicher Autor“ habe ich gefunden. „Könnte Schreiben die zweite Chance in ihrem Leben sein?“, fragt Dr. Carsten Leimbach in der ganzseitigen und, vielleicht thematisch bedingt, recht geschwätzigen Anzeige. Leimbach hat einen sympathischen Eierkopf und ist der „Literarische Beirat der Schule des Schreibens“. Ein Wink mit dem Zaunpfahl, denke ich, und bin fest entschlossen, zumindest den „Leitfaden für alle, die gern schreiben“, anzufordern, die „15 Goldenen Regeln für Ihren Erfolg als Autor“ gibt es netterweise gratis dazu.

Ich bin sicher, wenn man die Regeln befolgt, kann man vielleicht bald Kurzgeschichten veröffentlichen, so wie Jana Schenk-Krämer, von der ebenfalls ein Foto in der Anzeige prangt: Eine kurzhaarige, jugendlich wirkende Blondine, die „bereits während des Studiums“ (immerhin hat sie eins, aber hat sie’s auch zu Ende gemacht?) Kurzgeschichten an Zeitschriften verkaufen konnte, gerade ihren ersten Roman schreibt und schon drei (!) Internet-Literaturwettbewerbe gewonnen hat – vermutlich unter ihrem Künstlernamen, zu „Jana Schenk-Krämer“ gibt es nämlich tatsächlich keinen einzigen Eintrag im Internet. Ein Phänomen! Und ich dachte immer, Sascha Gotza, mit dem mich in der Grundschule eine innige und – von meiner Seite aus – bewundernde Freundschaft verband (ich kannte keinen anderen Sechsjährigen mit so viel Charme und Elan) und den ich schon seit Jahren vergeblich zu googeln versuche, sei der einzige Mensch unter 50, der nicht im Internet auftaucht.

Man weiß es ja nicht. Vielleicht hat sich Sascha Gotza schon mit 20 in eine Frau umoperieren lassen und lebt jetzt unter dem Namen „Susi Gotza“ ein glückliches Transgender-Leben. Und vielleicht ist Jana Schenk-Krämer in Wahrheit eine frustrierte Biologielehrerin in einem kleinen Kaff ohne Internetzugang, und die „drei Internet-Literaturwettbewerbe“ waren „Internat-Literaturwettbewerbe“, bei denen sie mit Pubertätsgedichten wie „Deine Hände / Sprechen Bände / Ohne Ende / Muss ich weinen“ punkten konnte.

Mal sehen, wie sich mein Schreibstil durch das „Fernstudium zum erfolgreichen Autor“ verändert. Wenn die Kündigung als Journalistin droht, muss ich eben wieder mit den richtigen Leuten saufen gehen.

Fotohinweis: JENNI ZYLKA PEST UND CHOLERA Fragen zur Biologie? kolumne@taz.de Morgen: Barbara Bollwahn ROTKÄPPCHEN