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Archiv-Artikel

JENNI ZYLKA über PEST & CHOLERA Pull up to my bumper, baby

Anti-Sexismus-Debatten haben nichts an der Vorstellung geändert, dass Autofahren den Verkehr steigern könnte

Fuck-Frequency ist so ein Wort, das man nicht übersetzen muss, höchstens ein wenig ausführen: Sie geht in Beziehungen normalerweise runter. In einem US-Teenie-Magazin habe ich neulich mal eine Richtlinie dazu gefunden. Im ersten Jahr soll man es danach mindestens viermal die Woche tun, im zweiten Jahr dreimal, bis zum fünften Jahr mindestens zweimal, dann einmal, und nach der Hochzeit stagniert die Fuck-Frequency üblicherweise bei null. In Deutschland kann man angeblich die nicht so verbreitete Hochzeit durch das erste Kind ersetzen. Sagen die, die es wissen müssen, wenn sie genug getrunken haben.

Ich frage mich, ob man die drohende Zero-Linie vielleicht mit einer höheren Anfangsfrequenz hinauszögern könnte. Wenn ja, habe ich gerade eines der größten Langzeitbeziehungsprobleme gelöst, oder zumindest verschoben. Aber die LangzeitbeziehungspartnerInnen tun mir nicht leid. Auch Singles haben Probleme mit der Fuck-Frequency, weiß Gott – sogar der alte geifernde Angeber Hugh Hefner hat welche. Da kann er noch so oft das Gegenteil behaupten. Ebendiese übertriebenen Behauptungen bringen einen überhaupt erst dazu, bei ihm Fuck-Frequency-Probleme zu vermuten. Das scheinen alle zu wissen, nur Hugh Hefner nicht. Doch wem nützt Hugh-Hefner-Bashing?

Eigentlich wollte ich heute an einen anderen Alten erinnern: Hans Blum. Der ist vor gut einem Jahr 75 geworden (kürzlich sogar 76), und allen, die jetzt fragen, wer zur alles verbrennenden Hölle denn der verdammte Hans Blum ist, sei gesagt: Hans Blums Künstlername ist Henry Valentino. Als Henry Valentino hat Hans Blum Songs wie „Jetzt geht die Party richtig los“, „El Lute“, „Beiß nicht gleich in jeden Apfel“ und „Charlie Brown“ geschrieben, füllt also quasi drei Viertel des kollektiven Mist-Gedächtnisses eines durchschnittlich sozialisierten Deutschen aus.

Der allerschlimmste Henry-Valentino-Song ist aber „Im Wagen vor mir“. In diesem Lied singt ein männlicher Autofahrer auf der Autobahn davon, dass vor ihm ein junges Mädchen fährt: „Sie fährt allein, und sie scheint hübsch zu sein“, also nichts wie ran: Er verfolgt das arme Ding so lange, bis ihr „die Sache langsam mulmig“ wird und sie „die allernächste Abfahrt raus“ fährt, um sich dort zu „verstecken hinter irgendwelchen Hecken“ – ein klarerer Fall jener Abart sexueller Belästigung, die der Amerikaner „street abuse“ nennt, wurde meiner Ansicht nach noch in keinem Schlager besungen.

Und dass das schlimme Frauenangst-Lied 1977 ein Hit wurde, sagt viel über die Zeit aus, aus der es stammt: die 70er, ganz, ganz kurz vor der dringend notwendigen Frauenbewegung und Anti-Sexismus-Debatte. Des Weiteren die Zeit, als Johanna von Koczian „Das bisschen Haushalt …“ sang und die Frauen Uschi hießen (so wie Henry Valentinos damalige Duettpartnerin).

Henry Valentinos Idee der motorisierten Frauenverfolgung mit dem Ziel, die Fuck-Frequency zu erhöhen, fiel mir jedenfalls ein, als neulich ein Freund erzählte, wie er beim Trampen mal bei einem Polen mitgefahren sei, der ihm einen Tipp zum Frauen-Kennenlernen verraten habe: Er vollziehe schon mal, so der pfiffige Pole, einen Auffahrunfall bei der Dame seiner Wahl, rausche ihr also absichtlich ein wenig in den Kofferraum. Es sei ihm, so der Pole, die 300 Euro für die Stoßstange wert, dass er unter Garantie ihre Telefonnummer und Adresse kriege. Ziemlich beeindruckend, muss ich zugeben. Schade, dass er damit bei mir nicht mehr landen kann. Ich kenne ja seinen Trick.

Vielleicht werde ich aber mal versuchen, selbst einen Auffahrunfall zu verursachen, indem ich extra langsam vor dem Mann meiner Wahl herschleiche, und dann nach dem Bums – als kooperative Geste – auf das Hinzuziehen der Polizei verzichte. Ich habe aber ein bisschen Angst, dass mir statt einer netten Neubekanntschaft eher der Tod durch Drive-by-Shooting droht, jedenfalls, wenn ich den Trick in meiner Heimatstadt Berlin ausprobiere. Das wäre mir ein wenig zu riskant für eine kleine Fuck-Frequency-Steigerung. Dann doch lieber der ungefährlichere Swingerclub.

Fragen zu Swingerclubs? kolumne@taz.de Morgen: Bettina Gaus FERNSEHEN