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Archiv-Artikel

JEDES BUNDESLAND SOLLTE SELBST ÜBER EIN RAUCHVERBOT ENTSCHEIDEN Lob des föderalen Flickenteppichs

Die Debatte über ein Rauchverbot hat ein erbarmungswürdiges Stadium erreicht: Beamte der Länder schleppen sich von Arbeitsgruppe zu Arbeitsgruppe, ein EU-Kommissar schreibt drohende Papiere, die Krebshilfe mahnt. Und die FDP befindet, die Bürger müssten in Freiheit selbst entscheiden dürfen, ob sie ins Raucher- oder Nichtraucherrestaurant wollen. Niedlich: Bei Kellnern und Barkeepern dreht es sich dabei um die freie Entscheidung zwischen Lungenkrebsrisiko und Arbeitslosigkeit.

Es gibt vier Möglichkeiten, wie es zu Rauchverboten in der Gastronomie kommen kann. Möglichkeit eins: Der SPD-Politiker Lothar Binding peitscht sein Nichtrauchergesetz doch noch durch den Bundestag, indem er von Union bis Linkspartei eine Mehrheit sammelt. Doch bevor das passiert, raucht Fraktionschef Struck seinen Hinterbänkler in der Pfeife. Zwei: Die EU erlässt Rauchverbote – aber bis dahin kann es Jahre dauern. Drei: 16 Bundesländer mit völlig unterschiedlichen Vorstellungen einigen sich auf wundersame Weise. Möglichkeit vier: Es bleibt beim föderalen Flickenteppich.

Die letzte Möglichkeit bietet die einzig realistische Chance dafür, dass endlich etwas passiert. Denn vom Getöse um Rauchverbote auf Bundesebene aufgeschreckt, erweisen sich die Länder als erstaunlich reaktionsschnell: Schleswig-Holstein hatte nach dem Scheitern des Koalitionskompromisses auf Bundesebene in 24 Stunden einen ersten Gesetzentwurf fertig. Mecklenburg-Vorpommern erfindet sich gerade neu als qualmfreies Gesundheitsland, und auch Bayern hat längst Eckpunkte fertig. Das Saarland ist ganz gegen ein Verbot – eine falsche Position, aber wenigstens bedurfte es keiner Arbeitsgruppe, um sie zu finden.

Warum keine länderspezifischen Regelungen? Die Verbraucher wissen ja auch, in welchem Schwimmbad die Duschen kalt sind und in welcher Region es Kartoffelklöße gibt und wo Spätzle. Sie werden feststellen, ob ihre Landespolitiker sie wirksam vor Qualm schützen oder nicht. Politische Verantwortung lässt sich so zuordnen. Genau das war doch das Ziel der Föderalismusreform.

GEORG LÖWISCH