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Archiv-Artikel

JEAN PETERS POLITIK VON UNTEN Helden-AktivistInnen stinken!

Ich nenne mich nur Aktivist, weil es zu meiner Restrhetorik passt. Aber wonach suchen wir hier?

Wir sitzen ja irgendwie schon in der Scheiße. Unsere Welt quillt über vor Ungerechtigkeit, die Schere der Privilegien geht immer radikaler auseinander. Klima-, Finanz- und Nahrungsmittelkrisen sind im allgemeinen Bewusstsein angekommen. Das alles ist von einem Wettbewerbs- und Individualismus-Fetisch unterfüttert, den wir jetzt erst mal ausmerzen müssen.

Und wir arbeiten dran! Tagtäglich stechen wir die Akkupunkturnadeln sozialer Bewegungen in den kulturellen Körper der Ausbeutung und Profitgier. Ein Kribbeln zieht durch die Gesellschaft und lässt bald Businessmenschen in dem Licht erscheinen, in dem heute schon Sado-Maso-Clubs und Gartenzwergvereine stehen: Mit einem wohlwollenden Schmunzeln schauen dann alle auf sie.

Ich verneige mich vor denen, die sich trauen, radikal zu denken. Vor den tausenden KommunardInnen, die nach Alternativen suchen. Alternativen zu Lohnarbeitsalltag. Zum Kernfamilienmodell. Zu Einwegkonsum. Aber heldenhafte AktivistInnen, was soll das sein?! AktivistIn sein heißt: die Welt hinterfragen und sich engagieren. Fertig. Einige können auch noch gut reden oder schreiben.

AktivistInnen müssen aber auch im Kontakt bleiben, erreichbar sein. Wie die Aldi-KassiererInnen, die wegschauen, wenn jemand klaut. Nicht heimlich, sondern selbstverständlich. Die LehrerInnen, die allen eine Eins geben und dafür stärker hinhören. Die Bullen (und Kühe), die unabhängig von der Situation eine Nazidemo als nicht durchführbar einschätzen. Leute mit Chuzpe, die der großen Ungerechtigkeit im Kleinen auf die Fresse geben. Die unseren Wettbewerbs- und Individualismus-Fetisch zum Nischenphänomen machen.

Brecht sagte: „Wehe der Nation, die Helden braucht.“ Das Wort JournalistIn hatte früher mal eine sehr negative Bedeutung: Die schreiben hitzig Zeug zusammen, das am nächsten Tag schon zu kaltem Kaffee wurde. Heute erntet einE JournalistIn meistens Ooohs und Aaahs bei Tanten und Onkels. Auch die AktivistIn ist auf dem besten Wege, zum anerkannten Beruf heranzuwachsen. Wir finden sie in Initiativen, Gewerkschaften, und die Bewegungsstiftung hat Patenschaftssysteme für VollzeitaktivistInnen entwickelt. Das ist notwendig und gut.

Doch AktivistInnen sind keine HeldInnen. Sie nutzen nur ihre Gabe, nicht alles zu fressen, was ihnen vorgekaut wird. Und reagieren.

■ Der Autor ist Trendreporter, Clown und kein Aktivist Foto: S. Noire