JANNIS PAPADIMITRIOU ÜBER STEIGENDE GEWALT IN GRIECHENLAND : Kontrollverlust und Alltag
Der grausame Mord an einem jungen Mann, der sich in der Athener Indie-Szene einen Namen als Antifaschist gemacht hatte, war keine Überraschung, sondern ist die Folge einer steigenden Gewaltbereitschaft in der griechischen Gesellschaft.
Die Ermittlungen der Polizei laufen noch, aber offenbar hat der Täter die Tat bereits gestanden. Er ist Mitglied der rechtsradikalen Partei „Goldene Morgenröte“. Spätestens nach dem Mord von Piräus dürfte es auch den Hunderttausenden Griechen, die sich laut Umfragen für diese begeistern, klar geworden sein, dass diese Partei Gewalt nicht nur toleriert, sondern zelebriert und als legitimes Mittel der politischen Auseinandersetzung betrachtet. Wobei diese Gewalt nicht allein ausländischen Flüchtlingen, sondern allen Andersdenkenden droht.
Es besteht die reale Gefahr, dass die Ewiggestrigen endgültig außer Kontrolle geraten – zumal in den griechischen Social Media bereits zahlreiche Aufrufe nicht nur zu Demonstrationen gegen die Nazis oder auch zu Vergeltungsschlägen kursieren.
Ausnahmsweise sollte die Politik mal nicht auf kurzfristige Popularität schielen, sondern eine gemeinsame Antwort auf eine Bedrohung entwickeln, die sich nicht zuletzt gegen ihre eigenen Interessen richtet.
Der konservative Minister für öffentliche Ordnung, Nikos Dendias, der bisher vor allem durch Razzien gegen Migranten auffiel, ließ am Mittwoch die Polizei erstmals gegen die Goldene Morgenröte mobilisieren und kündigte eine Verschärfung einschlägiger Strafgesetze an, möglichst in Zusammenarbeit mit anderen demokratischen Kräften. Dass die Linksparteien das Angebot ablehnen und stattdessen lieber auf die Eigenverantwortung der Regierung verweisen, ist kein gutes Zeichen. Es gibt genügend andere Gelegenheiten, politische Differenzen auszutragen.
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