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Italiens ParlamentWeiteres Geschenk für den Cavaliere

Italiens Parlament hat ein Gesetz gebilligt, dass Verjährungsfristen für Nicht-Vorbestrafte kürzt. Zwei Verfahren gegen Berlusconi sind damit praktisch vom Tisch. Nicht aber der "Ruby"-Prozess.

Herr Berlusconi hat schon den Altersruhesitz ins Visier genommen. Präsident will er wohl auch nicht mehr werden. Bild: reuters

ROM dpa | Ein Gesetz, das Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi vor einem Teil seiner gegenwärtig vier Prozesse bewahren soll, hat die wichtigste Parlamentshürde genommen. Die Mitte-Rechts-Regierungskoalition des Medienunternehmers und Milliardärs brachte den "Processo breve" (Kurzen Prozess) am Mittwochabend im Abgeordnetenhaus in Rom durch. 314 Abgeordnete votierten dafür, 296 dagegen.

Jetzt muss noch der Senat den verkürzten Verjährungsfristen zustimmen. Dann würden vermutlich zwei Verfahren, in die Berlusconi verwickelt ist, praktisch vom Tisch sein, nicht jedoch der Prozess um die junge Marokkanerin "Ruby" und die angeblichen Sex-Partys bei ihm.

Die linke Opposition hatte erbitterten Widerstand gegen das Gesetz geleistet, mit dem Verjährungsfristen für Nicht-Vorbestrafte verkürzt werden. Auch vor dem Parlament wurde heftig dagegen demonstriert. Die Vorschrift diene einzig dazu, Berlusconi vor seinen Prozessen zu bewahren, ist der Hauptkritikpunkt der Gegner.

Auch für andere Verfahren hätte das Gesetz drastische Folgen. Etwa 15.000 Prozesse würden ihm zum Opfer fallen, berichteten italienische Medien - darunter unter anderem der Prozess gegen die Verantwortlichen einer Flüssiggaswaggon-Explosion im Bahnhof von Viareggio, bei der im Juli 2009 32 Menschen starben.

Für Berlusconi "erledigt" wären der Prozess wegen Bestechung des britischen Anwalts David Mills sowie der Mediasetprozess, in dem es um Steuervergehen beim Verkauf von Film- und Fernsehrechten geht. Noch nicht ausgestanden wären das Mediatrade-Verfahren um Steuervergehen, das noch im Vorprozess steckt, und vor allem der Fall "Ruby".

Dieser Prozess gegen den 74-Jährigen wegen Amtsmissbrauchs und Sex mit der damals minderjährigen marokkanischen Prostituierten "Ruby Rubacuori" (Ruby Herzensdieb) war am vergangenen Mittwoch eröffnet und nach fünf Minuten auf Ende Mai vertagt worden. Weder das Escort-Girl noch Berlusconi waren vor Gericht erschienen.

Berlusconi denkt an Rückzug

Unterdessen teilte Berlusconi über ausländische Medien mit, dass er nach Ablauf der Legislaturperiode in zwei Jahren eigentlich nicht wieder als italienischer Regierungschef antreten möchte. An seiner Stelle solle dann der derzeitige Justizminister Angelino Alfano regieren, zitierten die italienischen Blätter am Donnerstag aus Blättern wie dem "Wall Street Journal".

"Ich könnte der Spitzenkandidat der Partei (PdL) sein, will aber keine operative Rolle", sagte er und fügte einschränkend hinzu: "Das hängt auch von den Umfragen ab, wir werden das zu der gegebenen Zeit dann sehen."

Auch seinen oft vermuteten Wunsch, dann als Nachfolger von Giorgio Napolitano Staatspräsident zu werden, will der 74-jährige Medienzar und Milliardär den Berichten zufolge inzwischen aufgegeben haben. Berlusconi erzählte seine Sicht der Zukunft vor einer ausgesuchten Runde ausländischer Medienvertreter bei einem Abendessen. Vertreten waren dabei auch die Pariser Zeitung Le Monde und der britische Guardian.

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9 Kommentare

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  • K
    Kai

    Na, es geht doch. Ganz demokratisch gestaltet hier einer nach Lust und Laune...Die Wertegemeinschaft bombt woanders...

  • M
    mobius

    "Fiat iustitia et pereat mundus"

     

    Es wäre schön, wenn der Rechtstaat so agieren würde. Sich und die Gesetzt die einst gemacht wurden zu legitimieren, auch wenn dies heißen würde, erst einmal durch die Scheiße zu laufen.

     

    Ich bin gerade mal 24 und jetzt schon so Politik und Gesellschafts verdrossen, dass ich mich Frage, ob ich überhaupt noch Lust habe eine ehrlich Haut zu sein, sprich mich meinem schicksal ergebe und nicht mehr gegen die Windmühlen kämpfe.

     

    "In magnis et voluisse sat est"

  • N
    neuhaus

    bei so einer abstimmung haben wohl auch vertreter von rechts dagegen gestimmt. es bleibt ein parlamentarischer akt, kann ja bei linker regierung wieder zurückgenommen werden. die prozesse dauern zu lange, man hatte genung zeit im mills prozess etwas zu beweisen, zu verurteilen. ´so eindeutig war die schuld von berlusconi wohl nicht. der rubygate skandal ist doch dagegen lächerlich und ohne bedeutung. berlusconi hat einen langweiligen kontinent spannender, untrerhaltender gemacht. er hat das testostoron nach oben gebracht, sehen sie es mal positiv. ein pluralistischeres , demokratischeres land als italien gibt es nirgendwo.

     

    bg

  • A
    atypixx

    Aber wenn das kleine Ungarn ein falsches Mediengesetz hat, wird es zur Schnecke gemacht. Warum lässt man Italien so ein Mafiatum durchgehen? Das ist ungerecht und ekelhaft.

  • Q
    Quotenmann

    L'etat c'est moi.

    Armes Italien, im alten Rom hätte man die Verfasser einer solch peinlichen Schmierenkomödie im Circus Maximus bewundern dürfen.

     

    SCNR

  • OV
    Otto von Bismarck

    Was soll denn das jetzt schon wieder? Ist ja schlimmer als die Hetze gegen Guttenberg. Berlusconi bemüht sich halt um die Rehabilitierung von einmalig straffällig gewordenen Bürgern mit guter Sozialprognose. Deshalb auch die periodisch auftretenden Generalamnestien für Steuersünder.

     

    Da jetzt einen Zusammenhang zu seinen eigenen Prozessen herzustellen ... ist sicherlich logisch. Aber wer hat denn eine bessere Sozialprognose als Silvio Berlusconi? Der Mann der sich in Sozialprojekten z.B. für die Förderung vieler junger Mädchen mit und ohne Migrationshintergrund einsetzt?

  • L
    Libertiner

    "Der größte Lump bleibt obenauf"!-immer so gewesen.Die arbeitende Klasse ist zu brav für diese Halunken. Die größten Lumpen finden sich immer dort wo OBEN ist. Der Klüngel macht den Rest.

  • F
    FAXENDICKE

    Demokratie hat eben den Vorteil, dass Vermögende letztlich die Gestze schreiben und somit die Demokratie ad absurdum führen. In Deutschland geschieht das ja auch seit Jahrzehnten, hier schreiben Banken, Versicherungen, Pharmakonzerne und andere Kartelle die Gesetze nach ihrem Gusto. Nicht umsonst wird alles immer ungerechter und die Umverteilung von unten nach oben immer intensiver.

    Tolle Demokratie, Berlusconien läßt grüßen.

  • B
    Balkanfilosof

    Immer, wenn ich solche Meldungen aus dem Land lese, in dem nichts außer der Kriminalität organisiert zu sein scheint, frage ich mich eins:

     

    Sollten wir nicht die Geografie anpassen und Italien ganz offiziell dem Balkan zuordnen?

     

    Ich denke nicht. Auf dem Balkan gibt es teilweise bereits rechtsstaatliche Verhältnisse.